Amazon-Serie „Star Trek: Picard“ Ein alter weißer Mann als Retter

Sir Patrick Stewart (79) schlüpft für die neue „Star Trek“-Serie „Picard“ in seine alte Paraderolle. Ist das genug für eine Renaissance des utopischen Universums? Eine Vorschau - natürlich spoiler-frei.

 Jean-Luc Picard (Patrick Stewart) beschützt Dahj (Isa Briones).

Jean-Luc Picard (Patrick Stewart) beschützt Dahj (Isa Briones).

Foto: Amazon Inc.

Die Skepsis war riesig: Ein glatzköpfiger, großväterlicher, englischer Shakespeare-Darsteller als Kapitän des Raumschiffs „Enterprise“? Doch Patrick Stewart lieferte; im weitläufigen „Star Trek“-Universum ist seine Figur Jean-Luc Picard bis heute, mehr als 30 Jahre später, einer der besten Charaktere überhaupt. Und mit seinem Ausstieg verlor das fiktive Universum seinen Spirit von Utopie und Philosophie.

Captain Kirk hatte in bester James-Bond-Manier Sprüche geklopft, die männlichen Aliens verkloppt und die weiblichen verführt. Sein Nachfolger machte vieles anders: Als Humanist mit Herz und feinem Humor schlichtete Picard, immer ein Tässchen Tee in der Hand, interstellare Kriege im Dutzend und blieb dabei stets professionell-asexuell. Er war ein guter Hirte für die rund 1.000 Menschen an Bord der „Enterprise“, war oberster Entdecker, Forscher, Diplomat. Die Waffen des Flaggschiffs setzte Picard wenn irgend möglich nur für Warnschüsse ein.

Stewart läutete das Goldene Zeitalter des „Star Trek“-Universums ein: zwischen seinem Antritt 1987 und seinem Abgang 2002 liefen vier Serien und sechs Kinofilme. Nach ihm wurde „Star Trek“ austauschbar. Die Kinofilme seit 2009 verkamen zu hübschem, aber handelsüblichem Action-Popcorn-Kino. Die TV-Serie „Star Trek: Discovery" (seit 2017) ist mit der Afroamerikanerin Sonequa Martin-Green in der Hauptrolle zwar progressiv besetzt, enttäuscht aber inhaltlich.

Der Held ist faltig, knorzig, kurzatmig

Nun aber ist Jean-Luc Picard zurück – faltig und verbittert, knorzig und kurzatmig. Ein alter, weißer Mann; aber was für einer. Die erste Episode der Serie „Star Trek: Picard“ ist ab Freitag bei Amazon Prime abrufbar. Darin macht Stewart, der bald 80 wird und längst den Ehrentitel „Sir“ führt, eben nicht dort weiter, wo er aufgehört hat – der späte Picard der Jahrtausendwende war auf Action-Abwege geraten. Als wir ihm jetzt wieder begegnen, hat er seiner geliebten Sternenflotte den Rücken gekehrt, weil die sich ebenso von ihren Werten entfernt hat wie manches „Star Trek“-Produkt der jüngeren Vergangenheit.

Zum Start sagte Stewart: „Ich kehre in diese Rolle zurück, um zu erforschen und zu erleben, welches tröstende Licht Jean-Luc Picard in unsere oft dunklen heutigen Zeiten werfen kann.“

Die Serie beginnt auf Picards Weingut, wo ihm selbst Alpträume willkommen sind als Abwechslung vom Rentner-Alltag. Doch sehr bald muss er die mysteriöse Dahj (Isa Briones) beschützen, die seine Enkelin sein könnte. So viel zur Ausgangslage; zur Handlung verkneifen wir uns jegliche Spoiler.

Zentral sind aber zwei Themen, die auch unsere nahe Zukunft prägen werden. Erstens das Altern: Wie gehen Picard und seine Umwelt mit den körperlichen und geistigen Gebrechen des Helden a.D. um? Zweitens das Verhältnis zu Künstlicher Intelligenz. Picard zur Seite stehen unter anderem drei altbekannte Halb-Roboter: Neben „Mister Data“ (Brent Spiner) sind es „Seven of Nine“ (Jeri Ryan) und „Hugh“ (Jonathan Del Arco). Letztere waren einst Teil der finsteren Roboter-Rasse Borg - die wiederum auch Picard selbst zur willenlosen Drohne gemacht hatten.

 Sir Ian McKellen („Gandalf“, links) freut sich bei der Premiere mit Sir Patrick Stewart.

Sir Ian McKellen („Gandalf“, links) freut sich bei der Premiere mit Sir Patrick Stewart.

Foto: AP/Joel C Ryan

Der erste Eindruck ist gut bis sehr gut

Der erste Eindruck von „Star Trek: Picard“ ist gut bis sehr gut; Tonfall und Tempo der ersten Folgen stimmen, ebenso der Mix aus alten und neuen Charakteren. Stewart glänzt, indem er Picard vom Sockel holt und neben dessen vielen Stärken auch manche Eitelkeit präsentiert. Besonders gute Nachricht: Die gewohnten deutschen Synchronsprecher der alten Recken sind wieder an Bord, allen voran Ernst Meincke (78) nach einem überstandenen Schlaganfall.

Ob die Macher das volle Potenzial dieser Serie ausschöpfen, wird sich frühestens in neun Wochen zeigen, wenn die zehnte und letzte Folge verfügbar ist. Eine zweite Staffel mit weiteren zehn Folgen ist aber bereits in der Mache.

Im Bestfall kann die Serie dem Science-Fiction-Genre Impulse geben, das längst jenseits des Labels „Star Trek“ boomt und gedeiht: mit glaubhaften, komplexen und physikalisch korrekten Welten („The Expanse“), lustigen Utopien („The Orville“) und schlimmen Dystopien („Black Mirror“) sowie einer zur Abwechslung hochverdienten Roboter-Revolution („Westworld“). So weit nur die Serien; im Kino ragten auf ganz unterschiedliche Weise etwa „Interstellar“ und „Ex Machina“ heraus, „Der Marsianer“ und „Arrival“.

„Star Trek: Picard“ könnte ein großer Wurf werden. Und falls nicht, kann sich das Publikum mit diesen Werken derjenigen trösten, die einst „Star Trek“-Fans waren. In den Achtziger und Neunziger Jahren, als Jean-Luc Picard das Raumschiff Enterprise an Orte führte, wo noch nie zuvor ein Mensch gewesen war.

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