Polittalk “Absolute Mehrheit” auf ProSieben Bei Stefan Raab gewinnt schon wieder die FDP

Düsseldorf · Frauenquote, Rücktritte, Mietpreise: Die thematische Mischung bei Raabs zweiter Auflage der politischen Talkshow "Absolute Mehrheit” war wilder als das Personal. Viel zu oft übten sich die vier geladenen Politikerinnen in Einigkeit. Wenigstens Olli Schulz wurde am Schluss noch richtig wütend. Und die FDP hätte beinahe wieder die 40-Prozent-Marke geknackt.

Die Idee hinter "Absolute Mehrheit” müssen wir uns in etwa wie ein Experiment vorstellen, das es vor sechs Jahren an der Universität Stanford gegeben hat. Damals steckten Wissenschaftler gesundes Zeug wie Möhren, Milch und Apfelsaft in McDonald's-Packungen, und siehe da: es schmeckte Kindern plötzlich viel besser.

So ähnlich ist es bei Raab: Man nehme eine Bigband, eine Couch, halblustige Einspielfilme und - vielleicht am wichtigsten - das Logo von ProSieben in die obere Bildschirmecke - und schon erreicht Politik ein jüngeres Publikum. So weit die Theorie.

Bei der ersten Ausgabe von "Absolute Mehrheit” im November schien das Konzept aufgegangen zu sein: 18,3 Prozent der 14- bis 49-Jährigen schalteten ein, fast sechs Prozent über dem Senderschnitt.

An der Originalität der Sendung muss das nicht unbedingt liegen, denn die hielt sich auch beim zweiten Mal in Grenzen. Von Beginn an war Raab am Sonntagabend anzumerken, dass er hin- und hergerissen ist zwischen Unterhaltungszwang ("Wir hatten diskutiert, ob wir über Pferdefleisch sprechen sollen, aber ich wollte mich nicht vergaloppieren”) und dem unbedingten Willen, kritisch nachzuhaken ("Aber Sie waren doch auch mal dagegen”).

Das Show-Prinzip wurde nicht verändert: Die Zuschauer bestimmen per Telefon (50 Cent pro Anruf oder SMS), welcher Talkgast die beste Figur macht. Erreicht einer von ihnen am Ende die absolute Mehrheit, also über 50 Prozent der Stimmen, gewinnt er Geld - weil der Jackpot im November nicht geknackt worden war, 200.000 Euro.

Nur eine war gegen die Frauenquote

Diesmal stritten vier junge Politikerinnen darum: Dorothee Bär (CSU), Katja Dörner (Grüne), Linda Teuteberg (FDP) und Yvonne Ploetz von der Linken (warum war eigentlich niemand von der SPD dabei?). Allerdings blieben dabei alle so brav, dass es kein Wunder ist, dass am Ende wieder niemand die absolute Mehrheit erhielt.

Ausgerechnet beim Thema Frauenquote waren sich alle ziemlich einig, nämlich: mehr oder weniger dafür. Nur Linda Teuteberg von der FDP hielt dagegen - und bekam prompt in der ersten Runde den größten Publikumszuspruch. Meistens gerieten die Redebeiträge aber wie eine Vorrunde der Kreismeisterschaften im Debattieren, jede Politikerin brachte ihre (allesamt bekannten) Argumente vor, verwies wahlweise aufs Ausland oder die eigene Lernfähigkeit und blieb ansonsten blass.

Katja Dörner probierte immerhin noch einen Seitenhieb auf männliche Verantwortung beim neuen Hauptstadtflughafen und Stuttgart 21: "Vor der geballten Kompetenz dieser Herren kann sich keiner retten”. Doch es half nichts: Sie bekam am wenigstens Zuspruch. Nur Nicht-Politiker und Singer/Songwriter Olli Schulz war noch unbeliebter. Weil er zunächst in überraschend schlechter Form war.

Raab redet sich in Form fürs TV-Duell

Nach der ersten Werbepause sollte es dann irgendwie um Rücktritte gehen. So ganz genau wusste das aber niemand, also wurden wechselweise die Namen Guttenberg, Schavan und Brüderle genannt. Katja Dörner fand die Sexismus-Debatte relevant. Linda Teuteberg sorgte sich, dass vor lauter moralischem Rigorismus die Themen verloren gehen könnten. Und Yvonne Ploetz kritisierte bei dieser Gelegenheit noch einmal die Redehonorare von Peer Steinbrück, woraufhin Raab blitzschnell: "Was is'n jetzt mit Herrn Gysi?” einwarf.

Überhaupt Raab. Nachdem Steinbrück und Merkel mit ihm als Co-Moderator beim TV-Duell einverstanden sind, scheint sich der Mann bei seinem Haussender in Form reden zu wollen. Gut vorbereitet konterte er immer wieder, grätschte mit seiner schnoddrigen Art regelmäßig dazwischen - wenn auch nicht immer ausgewogen. An der insgesamt müden Runde konnte das aber nichts mehr ändern.

Der Wutausbruch am Ende

Erst beim letzten Thema, Mietpreise, nahm die Sendung Fahrt auf, allerdings war es da auch schon weit nach Mitternacht und die Zeit fast vorbei. Zu kompliziert schienen die Konzepte der Parteien gegen explodierende Mietpreise in Großstädten zu sein, um sie in den verbleibenden Minuten zu erklären.

Trotzdem gab es noch zwei Highlights. Erstens: Eine Spitze von Dorothee Bär in Richtung Yvonne Ploetz: "Es war natürlich jetzt auch viel falsch bei dem, was Sie gesagt haben”. Zweitens (und vor allem): Olli Schulz, der kurz vor Ende zur alten, wütenden Form zurückkehrte und Gentrification in einem Satz erklären konnte: "Die Reichen finden es geil, da zu wohnen, wo die Künstler sind.”

Gewonnen hat aber, wie schon in der ersten Sendung, die FDP. Linda Teuteberg bekam 39,9 Prozent der Stimmen - fast so viel wie Parteifreund Wolfgang Kubicki bei der Premiere. Ende März soll es eine neue Ausgabe der Talkshow auf ProSieben geben.

(rpo/nbe/csi)
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