Schadstoff-Belastung Umwelthilfe will Luft in Dörfern prüfen

Düsseldorf · Auch Anwohner kleinerer Städte und Ortschaften hätten das Recht auf saubere Luft, meint die Deutsche Umwelthilfe: Beim NRW-Landesamt für Natur und Umwelt hält man das Aufstellen weiterer Messstationen für unnötig.

Auch Anwohner kleinerer Städte und Ortschaften hätten das Recht auf saubere Luft, meint die Deutsche Umwelthilfe. Beim NRW-Landesamt für Natur und Umwelt hält man das Aufstellen weiterer Messstationen für unnötig.

Die Station "Solingen Wald" steht auf dem Gelände der örtlichen Entsorgungsbetriebe, etwa drei Kilometer vom Solinger Stadtzentrum entfernt. In der Nähe befinden sich Häuser, eine Bundesstraße und eine Müllverbrennungsanlage. Nach Angaben des nordrhein-westfälischen Landesamtes für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz, kurz Lanuv, misst die Station die Hintergrundbelastung auf dem Land. "Die Hintergrundmessstationen stehen auf dem Land natürlich weit abseits und können nicht abbilden, ob es in einer kleineren Kommune Orte gibt, an denen der Verdacht auf Grenzwertüberschreitung besteht", erklärt Lanuv-Sprecherin Birgit Kaiser de Garcia.

Die Deutsche Umwelthilfe (DUH) drängt darauf, dass künftig aber auch in kleinen Kommunen und Gemeinden die Luftschadstoffbelastung gemessen wird. "In vielen Orten wird von offizieller Seite gar nicht gemessen, obwohl eine hohe Belastung zu erwarten ist - zum Beispiel an Ortsdurchfahrten in kleineren Städten, in denen hoher Durchgangsverkehr zu verzeichnen ist", sagte die Leiterin für Verkehr und Luftreinhaltung der Deutschen Umwelthilfe, Dorothee Saar, unserer Redaktion. Daher fordere ihre Organisation, dass auch in diesen Gegenden entsprechende Daten erhoben werden, damit die betroffenen Anwohner ihr Recht auf saubere Luft durchsetzen könnten, betont Saar. "Wenn die Verkehrsminister die Situation überprüfen, werden sie feststellen, dass die Mehrheit der Stationen die Hintergrundbelastung erfasst und nicht die Hotspots. Es besteht also Handlungsbedarf", stellt Saar fest.

Für die Einhaltung von Grenzwerten, die seit 2010 gelten, laufen seit Jahren Klagen der Deutschen Umwelthilfe. Auch die Verfahren in Düsseldorf und Stuttgart gingen auf DUH-Klagen zurück. In NRW hat die Umwelthilfe auch gegen die Luftreinhaltepläne von Köln, Bonn, Gelsenkirchen, Essen und Aachen geklagt. Landesweit hatten im vergangenen Jahr insgesamt elf Städte den Grenzwert zum Schutz der Gesundheit nicht eingehalten, die Werte lagen über 40 Mikrogramm je Kubikmeter Luft im Jahresmittel. Neben dem NRW-Spitzenreiter Köln waren das Düsseldorf, Dortmund, Oberhausen, Wuppertal, Hagen, Aachen, Leverkusen, Gelsenkirchen, Solingen und Essen. Insgesamt klagt die Umwelthilfe derzeit gegen 28 Städte. Dort drohen Fahrverbote für Dieselfahrzeuge - etwa in Düsseldorf.

Kritiker werfen der Deutschen Umwelthilfe vor, ein "Abmahnverein zu sein", der manchmal übers Ziel hinausschieße. Auch wird der Organisation unterstellt, Spendengelder von namhaften Großunternehmen zu beziehen - etwa vom japanischen Autobauer Toyota und amerikanischen Firmen, die mit der amerikanischen Autoindustrie (unter anderem General Motors) verflochten sind. Die DUH sei deshalb womöglich nicht objektiv, argumentieren Kritiker. Die Organisation weist diese Vorwürfe entschieden zurück.

Der Automobil-Wissenschaftler Ferdinand Dudenhöffer von der Universität Duisburg-Essen hält den neuerlichen Vorstoß der DHU grundsätzlich nicht für verkehrt. Es sei richtig, dass auch in kleineren Orten für gesunde Lebensverhältnisse gekämpft werde, sagte Dudenhöffer unserer Redaktion. "Natürlich kann man auch Messstationen an kleineren Orten aufbauen. Man sollte aber aufpassen, dass Deutschland nicht zur Welt-Messstation für Luft-Immissionen umgestaltet wird", so der Experte. Deshalb spreche er sich dafür aus, dass die Europäische Union entsprechende Regeln zur Messung von Luftschadstoffen erarbeite. "Die Regeln sollten für alle in Europa gelten und nicht 50 Meter nach der holländische oder belgischen Grenze anders sein", betont Dudenhöffer.

Beim Lanuv hält man nicht viel von der Forderung der Deutschen Umwelthilfe. "Weitere Messungen ohne den konkreten Verdacht auf eine Grenzwertüberschreitung bringen nicht wirklich neue Erkenntnisse", sagt Sprecherin Kaiser de Garcia. "Die Ressourcen sollten deshalb besser in die Entwicklung von Maßnahmen gesteckt werden, um die Belastungen senken zu können." Ähnlich kritisch äußert sich die Industrie und Handelskammer (IHK) Düsseldorf. "Das würde das Problem von den Großstädten aufs Land tragen mit einem vermutlich großen wirtschaftlichen Schaden. Die Wirtschaft würde dadurch abgewürgt", sagt Ulrich Biedendorf für die IHK. "Wir gehen aber nicht davon aus, dass es überhaupt zu Fahrverboten kommen wird. Nicht in der Großstadt. Und auch nicht auf dem Land."

In NRW ist das Messnetz des Lanuv bisher so ausgerichtet, dass sowohl die Orte mit den höchsten Belastungen wie die Corneliusstraße in Düsseldorf als auch städtische und ländliche Hintergrundbereiche messtechnisch erfasst werden. Diese Hintergrundstationen erfassen die Werte abseits der Straßen und liegen meist am Stadtrand oder in einem Park. Damit wird die Belastung im Hintergrund erfasst, also auch von Einträgen aus anderen Quellen, Industrie, Landwirtschaft, natürlicher Quellen. Mit Berechnungsmodellen werden zudem auch Orte eingeschätzt, an denen der Verdacht auf eine Grenzwertüberschreitung vorliegt. "Sollte der Verdacht im Modell bestätigt werden, fließen die Ergebnisse in unsere Messplanung ein", erklärt Lanuv-Sprecherin Kaiser de Garcia.

Den Kommunen in NRW wurde vom Lanuv ein Berechnungstool zur Verfügung gestellt, mit dem sie eine Erstabschätzung vornehmen können. Dabei ist das Lanuv aber stark auf die Kooperation mit den Behörden vor Ort angewiesen. Meldet ein kommunales Umweltamt einen Verdacht auf Grenzwertüberschreitung, wird der Punkt im Rahmen der jährlichen Messplanung berücksichtigt.

(csh)
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