Musik in der Coronakrise Die Musik durchbricht um Punkt 19 Uhr die Isolation

Wermelskirchen · Friedhelm und Sarina Preyer stehen seit acht Wochen jeden Abend auf ihrem Balkon und spielen geistliche und weltliche Titel. Die Aktion kommt bei den Nachbarn aus der Umgebung sehr gut an.

 Musik in der Krise: Sarina und Friedhelm Preyer schicken die Melodien vom Balkon in Eipringhausen aus über die Dächer des Ortes.

Musik in der Krise: Sarina und Friedhelm Preyer schicken die Melodien vom Balkon in Eipringhausen aus über die Dächer des Ortes.

Foto: Juergen Moll/Jürgen Moll

Sarina Preyer befestigt gerade das Liedblatt mit Wäscheklammern am Notenständer. Da hört sie aus dem Tal die ersten Glockenklänge. „Unser Einsatz“, sagt sie lachend und blickt zu ihrem Vater. Er hebt das Tenorhorn an, sie nimmt die Querflöte an die Lippen. Und Sekunden später klingt die vertraute Melodie von „Amazing Grace“ vom Balkon in Eipringhausen über die Dächer des Dorfes. Hier und da werden Vorhänge zur Seite geschoben und Fenster geöffnet. Bei gutem Wind sind die Melodien bis Süppelbach, Buchholzen und Kovelsberg zu hören. Dann klingelt am Abend plötzlich das Telefon bei Familie Preyer und die Menschen bedanken sich. „Das motiviert uns sehr“, sagt Friedhelm Preyer.

Seit acht Wochen steht der 55-Jährige gemeinsam mit Tochter Sarina um Punkt 19 Uhr auf dem Balkon – jeden Abend. Nur einmal habe er einen Friseurtermin gehabt. Und weil die in diesen Zeiten begehrt seien, wurde das Spiel drei Minuten vorverlegt. Am nächsten Abend kehrten sie zur alten Gewohnheit zurück: Um Punkt 19 Uhr, wenn im Glockenturm am Evangelischen Gemeindehaus das Läuten beginnt, stimmen die beiden ihre Melodien an.

Das erste Mal standen sie vor acht Wochen auf dem Balkon, als die Evangelische Kirche in Deutschland dazu aufrief, um 19 Uhr „Der Mond ist aufgegangen“ anzustimmen. Als eine weitere Initiative dazu einlud, die „Ode an die Freude“ zu spielen, waren Sarina und Friedhelm Preyer ebenfalls dabei. „Und weil die Rückmeldungen aus der Nachbarschaft so gut waren, haben wir einfach weitergemacht“, erzählt die 19 Jahre alte Sarina Preyer. Mit jedem Abend erweiterten sie ihr Repertoire. Weltliche Stücke treffen auf geistliches Liedgut. Jedes Mal stehen zwei Beiträge auf dem Programm – mindestens ein Choral. „Das hat uns bewegt, wenn uns Menschen aus der Nachbarschaft angerufen und uns erzählt haben, dass sie sich durch einen unserer Choräle getröstet gefühlt haben“, sagt Friedhelm Preyer. Irgendwann kamen die ersten Kurznachrichten mit Liedwünschen und das Vater-Tochter-Gespann begann, diese Wünsche zu erfüllen. Sie spielten „Über sieben Brücken musst du gehen“ oder „Hallelujah“. Ob es regnet oder stürmt: Vom Wetter lassen sich die beiden nicht abhalten. Dann ziehen sie Regenkleidung an.

Eigentlich spielen Sarina und Friedhelm Preyer im Evangelischen Posaunenchor. Auch Ehefrau Melanie gehört zum Ensemble. „Wegen Corona können wir seit Wochen nicht gemeinsam proben“, erzählen die beiden, „deswegen ist das gemeinsame Spielen am Abend auch eine Art Ersatzprobe für uns.“ Und Melanie Preyer fügt hinzu: „Es ist auch zu einem Vater-Tochter-Projekt geworden.“

Erst wenn die Proben und erste Auftritte mit ihrem Chor wieder möglich sind, wollen die beiden ihre abendlichen Auftritt einstellen. Bis dahin klingt Trost vom Balkon.

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