Spieler aus Viersen Eine Viertelmillion Euro verzockt

Dülken · Seit Online-Casinos legal sind, fangen immer mehr Menschen an, auf der Wohnzimmercouch zu zocken. Ein Dülkener berichtet von seiner Sucht.

 Der Dülkener David H. ist seit 28 Jahren spielsüchtig. „Es hat alles an meinem 18. Geburtstag begonnen“, sagt er. Freunde und Familie wenden sich mittlerweile von ihm ab.

Der Dülkener David H. ist seit 28 Jahren spielsüchtig. „Es hat alles an meinem 18. Geburtstag begonnen“, sagt er. Freunde und Familie wenden sich mittlerweile von ihm ab.

Foto: Ja/Knappe, Joerg (jkn)

„Ich habe meine Miete für diesen Monat verzockt. Jetzt kann mich nur ein fetter Gewinn retten“. David H. zieht nervös an seiner Zigarette und bedient fast im Sekundentakt seine Maus, mit der er die Online-Slot-Maschine steuert. Bis Monatsende sind es noch ein paar Tage, aber der 46-Jährige hat kaum noch Geld. Die Miete ist er dem Vermieter für diesen Monat auch noch schuldig. Strom bekommt David H. nur noch beim Prepaid-Stromanbieter. Seine Schufa ist negativ und seine letzten Rechnungen bei seinem alten Stromversorger hat er nicht bezahlt.

Online-Casino ist die neue Sucht, die kaum einer einschätzen kann. Seit dem 1. Juli sind Online-Casinos in Deutschland legal. Und immer mehr Menschen fangen an, auf der Wohnzimmercouch zu zocken. Musste man früher in die Spielhalle gehen, reicht es heute aus, den PC oder Fernseher anzumachen.

Seit 28 Jahren ist David H. spielsüchtig. „Es hat alles an meinem 18. Geburtstag begonnen. Ich bin mit dem Geld, das mir meine Mutter geschenkt hat, in eine Spielhalle gegangen und habe damit 120 Mark gewonnen. So hat meine Zockerkarriere angefangen“, erzählt er. Mittlerweile, schätzt David H., hat er eine Viertelmillion Euro verzockt. „Meine Frau ist immer fast durchgedreht, wenn ich schon Anfang des Monats alles verspielt hatte. Meine Einsätze sind zwar mit durchschnittlich zehn Cent relativ gering, aber die Walzen drehen sich ja auch im Sekundentakt. Bis alles weg ist.“ Die Frau des 46-Jährigen hat sich mittlerweile auch von ihm getrennt. Sie hielt die Zockerei von David H. nicht mehr aus. Früher waren es die einarmigen Banditen, dann die Automaten in den Spielhallen und jetzt die Online-Casinos, die viele Menschen in den finanziellen Abgrund treiben. Seit zwölf Jahren ist David H. auch arbeitslos, bekommt Geld vom Jobcenter. Aber das reicht vorne und hinten nicht aus.

„Ich kann auch nach einem Gewinn nur schwer aufhören zu zocken. Es muss immer weiter gehen“, sagt der Dülkener. Er habe bei verschiedenen Anbietern unzählige Accounts, mit denen er spiele, erzählt er. Teilweise auf den Namen von Familienangehörigen und Freunden. „Die wissen nicht, dass ich ihre Namen und Adressen für das Glücksspiel verwende. Einmal habe ich mit dem Namen meiner Mutter gespielt und 6000 Euro gewonnen. Damit der Gewinn ausgezahlt werden konnte, musste ich mir zuerst den Ausweis meiner Mutter besorgen und eine Kopie an den Betreiber des Online-Casinos schicken.“ Natürlich heimlich.

Spiele wie „Ghost Slider“ oder „Vallet Of The Gods“ zocken mittlerweile Tausende auch in Viersen. Und nur wenige gestehen sich ihre Sucht ein. David H. hat vor 14 Jahren schon einmal den Versuch unternommen, von der Sucht wegzukommen. Das hielt eineinhalb Jahre. Doch dann griff er wieder zur Maus, um zu spielen. „Das ist wie bei einem Alkoholiker. Wenn er nach jahrelangem Konsum wieder zur Flasche greift, ist er süchtig. Genauso ist das bei mir“, so der Dülkener.

Deshalb wagen viele Betroffene mittlerweile den Weg, sich professionelle Hilfe zu holen. Zum Beispiel in der Drogenberatung in Dülken. „Es sind zwar nicht so viele Leute spielsüchtig wie drogenabhängig, die uns in Anspruch nehmen, aber es werden immer mehr“, weiß Suchtberater Michael Hauser. Für Spielsüchtige angeboten werden in der Drogenberatung Dülken Gesprächsgruppen, aber auch eine Vermittlung in stationäre Therapien. „Die Spielsüchtigen muss man genau wie Drogen- oder Alkoholsüchtige sehen. Die schaffen es alleine nicht mehr raus aus der Sucht und müssen langsam entwöhnt werden.“

Für David H. ist eine Therapie vielleicht auch noch die Möglichkeit, sein Leben in den Griff zu bekommen. Er verliert sonst vielleicht bald seine Wohnung und sitzt auf der Straße, weil er die Miete verspielt hat. Und nicht nur das. Freunde und Familie wenden sich mittlerweile auch von ihm ab. Und so ist das Online-Groschengrab nicht nur finanziell, sondern auch auf sozialer Ebene sein Ruin. Im Sekundentakt.

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