Offener Brief Bündnis wendet sich gegen Straßensatzung

Caritas, Jugend- und Drogenberatung und Jugendstadtrat kritisieren den Entwurf der Verwaltung in einem offenen Brief als „Vertreibungspolitik“.

 Laut Straßensatzung dürfen Straßenmusiker nur in den ersten 30 Minuten einer vollen Stunde spielen.

Laut Straßensatzung dürfen Straßenmusiker nur in den ersten 30 Minuten einer vollen Stunde spielen.

Foto: Schütz, Ulrich (us)

Wie regelt man in einer Stadt das sichere Zusammenleben der Menschen ? An dieser Frage scheiden sich seit jeher die Geister: Die einen rufen stets nach der starken Hand des Staates, die anderen sehen den Schlüssel in Sozialarbeit und Dialog. Dass sich diese Prinzipien nicht unbedingt gegenseitig ausschließen müssen, stellt Finn Grimsehl-Schmitz vom Jugendstadtrat klar: „Wir sind uns mit der Stadt einig, dass Sozialarbeit und Ordnungsmaßnahmen Hand in Hand gehen müssen.“

Den städtischen Entwurf für eine Neufassung der Straßenordnung lehnt er jedoch als „Law and Order“-Politik ab – und steht damit nicht allein: Mitte des Monats sandten Jugendstadtrat, Caritasverband Wuppertal/Solingen und Jugend- und Drogenberatung anonym e.V. einen gemeinsamen offenen Brief zur „Verschärfung der Straßenordnung“ an Oberbürgermeister Tim Kurzbach und die Ratsfraktionen der Stadt. Darin fordern die Verfasser, die Pläne fallen zu lassen. „Werden Gesetze ständig verschärft, verschärft sich auch das gesellschaftliche Klima“, warnt etwa Caritasdirektor Dr. Christoph Humburg.

Der Neuentwurf zur Straßenordnung untersagt zum Beispiel jedes Verhalten, „das geeignet ist, andere zu gefährden, mehr als nach den Umständen vermeidbar zu behindern oder zu belästigen sowie Sachen zu beschädigen oder zu beschmutzen.“ Als Beispiele werden in der Folge „aggressives Betteln“ oder „aufdringliches Ansprechen“ angeführt. Diese Formulierung stelle fehlerhaftes Verhalten ins Ermessen der Sicherheitskräfte, kritisieren die Gegner des Entwurfs. Schließlich gebe es bereits Gesetze, die regelten, was man dürfe und was nicht.

Ein weiterer Stein des Anstoßes ist das neue Verbot von „wiederkehrenden, ortsfesten Ansammlungen von Personen (Lagern)“, die Passanten belästigten. Dieser Unterpunkt, der offenbar auf Gruppen Obdachloser und Drogenabhängiger gemünzt ist, vertreibe Menschen, die auf der Straße lebten, und all jene, sich dort träfen, kritisiert Norbert Schäfer. Probleme gelöst hätten derartige Maßnahmen bislang nirgendwo.

Bewährt habe sich dagegen in der Vergangenheit etwa in Ohligs ein „partizipativer Ansatz“, der Drogenabhängige und Ordnungskräfte an einen Tisch gebracht habe. Die Zahl der Polizeieinsätze sei daraufhin tatsächlich gesunken. „Das ist keine Sozialromantik“, betont Schäfer. Stattdessen setze die Stadt nun eher auf Ausgrenzung und bediene subjektive Ängste in der Bevölkerung. „Dabei ist Solingen noch immer eine der sichersten Großstädte“, sagt Schäfer. Die zuletzt gestiegene Anzahl schwerer Straftaten konzentriere sich hauptsächlich auf wenige Gruppen. „Außerdem“, ergänzt Humburg, „werden solche Straftaten von der Straßenordnung gar nicht berührt.“

Deren Neufassung regle stattdessen, wann und wo Straßenmusiker und -schauspieler aufzutreten hätten – nämlich „nur in den ersten 30 Minuten einer vollen Stunde.“ Nach jeder Darbietung sei der Standort „so zu verändern, dass die Darbietung am ursprünglichen Standort nicht mehr hörbar ist, der neue Standort muss 200 Meter entfernt sein.“

Erarbeitet hatte die Verwaltung die neue Satzung im Rahmen des Kriminalpräventionskonzepts. Sie solle dem Verlangen nach einem höheren Sicherheitsgefühl bei den Bürgern Rechnung tragen, hatte Ordnungsdezernent Jan Welzel Medienberichten zufolge bereits vor dem Jugendhilfeausschuss im Sommer erklärt. Eines stellt die Stadt auf Nachfrage klar: Eine Beschlussvorlage zur Straßenordnung gebe es noch nicht. Jeder einzelne Punkt des Werks werde von den Ratsfraktionen durchgegangen – auch die dazugehörigen Formulierungen.

Eine Antwort auf den offenen Brief stehe noch aus, erklärt unterdessen Christoph Humburg. Für ihr Anliegen machen seine Verfasser auch auf anderer Ebene mobil: Sie wollen einen Bürgerantrag gegen das städtische Vorhaben dem Rat übermitteln – und sammeln dafür Unterschriften.

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