Mein Solingen Manufaktur pflegt Traditions-Handwerk

Windmühlenmesser Robert Herder in Ohligs stellt ihre Messer noch heute nach dem Prinzip des „Solinger Dünnschliffs“ her.

  Giselheid Herder führt die Geschäfte von Windmühlenmesser an der Ellerstraße in Ohligs.

Giselheid Herder führt die Geschäfte von Windmühlenmesser an der Ellerstraße in Ohligs.

Foto: Köhlen, Stephan (teph)

Zangen, Hämmer und Nägel liegen auf der Werkbank in der Reiderei. Davor wartet eine Kiste voller Messerhefte darauf, auf die dazugehörigen Klingen montiert zu werden: Für Freunde des klassischen Handwerks ist die Windmühlenmesser-Manufaktur Robert Herder ein kleines Schlaraffenland. Im dunklen Ziegelbau an der Ellerstraße in Ohligs gehen die Mitarbeiter Tätigkeiten nach, für die es über Jahrzehnte hinweg überhaupt keine Ausbildungsgänge mehr gab. „Wir haben lange mit der Industrie- und Handelskammer verhandelt“, berichtet Geschäftsführerin Giselheid Herder – mit Erfolg: Im Traditionsbetrieb gehen angehende Schleifer, Pließter, Reider und Ausmacher als Facharbeiter in die Lehre.

Damit führt das Unternehmen nicht etwa einen aussichtslosen Kampf gegen die Windmühlen der Modernisierung – sondern besetzt eine Nische: Das altbekannte und aufwändige Prinzip des „Solinger Dünnschliffs“ prägt die Windmühlenmesser noch heute. Dabei wird die Klinge, wie der Name schon sagt, sehr dünn geschliffen, der Schliffwinkel hoch angesetzt. Besondere Schärfe und lange Nutzbarkeit sollen die Folge sein. „Früher haben alle auf diese Weise gearbeitet, heute gibt es das nur noch selten“, sagt Herder, die den Betrieb mit ihrem Cousin Frank Daniel Herder führt.

Gegründet hatte ihn einst ihr Ur-Großvater Robert. Aus einer Härtereifamilie vom Keusenhof stammend machte er sich selbstständig. Im Jahr 1872 nahm die Manufaktur an heutigen Standort ihren Betrieb auf. Die erste Fertigung war dabei eine Hefte-Fräserei. Die Klingen dazu lieferten zunächst die Heimarbeiter, die ihre Kotten an Wupper und Itter betrieben, ehe der technologische Fortschritt die Klingenverarbeitung vor Ort ermöglichte. Ein Markenbewusstsein entwickelte sich im Hause Herder offenbar schon früh: Anfangs standen ein vierblättriges Kleeblatt und eine Vogelsäule für das Unternehmen. Die Windmühle in Firmenlogo und -namen hat ihren Ursprung im Export: Robert Herders Sohn Paul, im Gründungsjahr der Firma geboren, bereiste Belgien und die Niederlande, um die Möglichkeiten der Vermarktung für die Ohligser Messer auszuloten. Dabei stieß er auf Windmühlen – und erkannte in ihnen das passende internationale Symbol für die eigenen Schneidwaren.

Die Auslandsvermarktung spielt naturgemäß auch in der Gegenwart eine wichtige Rolle: Seit rund 20 Jahren pflegt die Manufaktur einen Austausch mit japanischen Schmieden. Seither bietet das Unternehmen regelmäßig auch Schneid- und Schärfseminare an. Auch das eigene Sortiment erweitert die Firma immer wieder – und heimste dafür allein seit 2002 rund 50 Auszeichnungen und Designpreise ein. Zusätzlich zum Angebot an verschiedenen Messern verkauft das Unternehmen aber auch Schneid- und Frühstücksbretter sowie anderes Essbesteck.

 Gute Messer sind von Hand gemacht – so lautet das Motto bei Herder. Das gilt auch für die Griffmontage.

Gute Messer sind von Hand gemacht – so lautet das Motto bei Herder. Das gilt auch für die Griffmontage.

Foto: Köhlen, Stephan (teph)

Für die heutige Geschäftsführerin schien eigentlich ein anderer Berufsweg vorgezeichnet zu sein: Denn Giselheid Herder ließ sich zur Bankkauffrau und Devisenhändlerin ausbilden und arbeitete bei der Deutschen Bank. „Ich wollte ursprünglich an verschiedenen Plätzen im Ausland tätig sein“, erzählt sie. Doch dann ging es um die Nachfolge im Familienunternehmen: Ihr Ehemann stieg in den Betrieb ein, starb jedoch im Jahr 1988 und hinterließ Frau und Kind. So übernahm Giselheid Herder selbst die Leitung der Manufaktur. „Ich musste mir sehr vieles erarbeiten“, erinnert sie sich an die in vielerlei Hinsicht schwere Zeit nach dem Schicksalsschlag. Zugleich betont sie: „Hier habe ich mein Feld gefunden.“ Messer sein schließlich ein „faszinierendes Produkt mit Geschichte und Vielfalt.“

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