Rheinberg Mit dem Motorrad gegen Depressionen

Rheinberg · Maximilian Komp litt 23 Jahre lang an Angstzuständen. Mit einer Tour durch Europa will er Spenden sammeln.

 Maximilian Komp (v.l.), Lea Viehweg und Florian Swoboda.

Maximilian Komp (v.l.), Lea Viehweg und Florian Swoboda.

Foto: Maximilian Komp/MK

 Sie sind beste Freunde, kennen sich seit 23 Jahren, sind zusammen in den Kindergarten gegangen und wissen genau, wie der andere tickt. Nur eines hat Maximilian Komp (26) vor seinem Freund Florian Swoboda (26) immer versucht, unter der Decke zu halten: Seine Ängste, die seit  vielen Jahren die Kontrolle über ihn haben.

In der Kindheit war es die Angst vor der Dunkelheit, später kamen andere Ängste hinzu. Die zu  versagen, dass sein Herz plötzlich stehen bleibt, auch die Angst vor der Unendlichkeit. „Man steigert sich da rein“, sagt er. „Es ist wie eine Welle, die immer wieder angeheizt wird und dann abflacht.“ Die Schulnoten wurden schlechter, Komp igelte sich ein, war fast nur zu Hause.

Im Februar 2016 dann der große Knall: „Im Wohnzimmer meiner Eltern bin ich weggeschmiert“, erzählt er. Sein Körper hat extrem viel Adrenalin ausgeschüttet, er hyperventilierte, kam in eine Klinik, lernte dort Schritt für Schritt, die Werkzeuge anzuwenden, die ihm helfen, mit der  Krankheit umzugehen, an der rund 4,5 Millionen Menschen in Deutschland leiden: die Depression.

Vier Monate war er in der Klinik, die Gespräche mit anderen Betroffenen, die Gesprächstherapien haben ihm sehr geholfen. Inzwischen ist er medikamentös gut eingestellt, geht aber immer noch regelmäßig zu seiner Therapeutin, spricht mit ihr immer wieder über die Krankheit, die sein Leben bestimmt.

Der 26-Jährige geht heute sehr offen mit seiner Depression um. „Weil es mir, aber auch den Leuten in meinem Umfeld den Druck nimmt“, sagt er. Und genau das ist Ziel einer Charity-Tour, zu der Komp am 22. Juli aufbrechen will. Lea Viehoff (25), eine gute Freundin, will ihn auf seiner Tour begleiten. Viehoff kommt aus Duisburg, studiert im sechsten Semester Jura in München und ist wie Komp leidenschaftliche Motorradfahrerin. Sie fährt eine BMW F 650 GS, silber-metallic. Die Maschine hat sie sich vor einem Jahr gekauft. Komps Maschine ist eine gelbe Suzuki SV 650, mit der er am Freitag zum Hauptbahnhof in Düsseldorf fahren und dann den Autozug nach Innsbruck nehmen will.  Dort trifft er sich mit Viehoff, zusammen fahren die beiden drei Stunden bis nach St. Johann, übernachten dort bei einer Freundin von Viehoff. Am 24. Juli um 8 Uhr brechen sie dann auf zu ihrer Charity-Tour.

Drei Wochen wollen sie unterwegs sein, in Österreich, Italien, wo auch immer es sie gerade hintreibt, im Zelt oder bei Menschen übernachten, die sie über die Plattform „Couch-Surfen“ kennengelernt haben. Sie wollen mit Menschen ins Gespräch kommen, mit ihnen über die Krankheit Depression reden. „Zuhören, die Ängste ernst nehmen, offen auf Menschen mit Depressionen zugehen anstatt ihnen mit Floskeln und Phrasen zu begegnen“, das sei wichtig, sagt Komp. Er hat Industriemechaniker gelernt und „in der schwersten Zeit seiner Krankheit von Thyssen-Krupp ein Stipendium bekommen“ hat, wofür er dem Unternehmen überaus dankbar ist.

Der Rheinberger absolviert derzeit ein berufsbegleitendes Studium an der FOM Duisburg, der Hochschule für Ökonomie und Management.

Im Vorfeld, während der Tour und im Nachgang fahren die drei eine Social Media Kampagne auf drei Kanälen: Facebook, Instagram und betterplace.org. Florian Swoboda (der die beiden leider nicht begleiten kann) hat die Kampagne konzipiert, das Logo „Ach du, das wird schon wieder“ erstellt, mit Komp einen Fragebogen erarbeitet und ins Netz gestellt.

Viehoff und Komp wollen über dieses soziale Medium auch ihre Eindrücke von den Gesprächen jeden Tag in Form von Steckbriefen mitteilen. „Depression ist eine Krankheit, mit der nicht zu spaßen ist. Eine Krankheit, für die sich niemand schämen muss“, lautet zum Beispiel ein solcher Steckbrief.

Und sie wollen Spenden sammeln für die Deutsche DepressionsLiga, eine Selbsthilfeorganisation. Über betterblace.org kann man alles über die Tour der beiden erfahren. Jeder ihrer Schritte weist außerdem auf diesem Wege auf ihren Spendenblog und das Spendenkonto hin, das sie dort eröffnet haben und mit dem sie seit dem 9. Juli online sind – die ersten Spenden sind schon eingegangen. 4000 Euro wollen sie versuchen zu sammeln, das Geld soll zu 100 Prozent an die DepressionsLiga gehen.

Rund 300 Kilometer wollen Viehoff und Komp jeden Tag zurücklegen, ein Ziel wird der Norden Italiens sein. Mit dem letzten Teil ihrer Charity-Tour geht dann für Komp ein Traum in Erfüllung: Mit seiner Suzuki die Trans Alp durch die französischen Alpen fahren, von Genf nach Nizza zur Côte d‘Azur.

Teilweise werden die beiden auf den Originalstrecken der Tour de France unterwegs sein werden und viele ihrer berüchtigten Pässe überqueren. „23 Jahre hat die Angst die Kontrolle über mein Leben gehabt – jetzt drehe ich den Spieß um, übernehme die Kontrolle über meine Angst“.

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