Neidgefühle kommen nicht auf „Hätte mehr erreichen können“

Von Volker Koch Jens Voigt und Jan Ullrich bereiten sich irgendwo auf die Tour de France vor. Erik Zabel, Olaf Pollack,Matthias Kessler und Markus Fothen sind seit einer Woche beim Giro d'Italia unterwegs.

Von Volker Koch Jens Voigt und Jan Ullrich bereiten sich irgendwo auf die Tour de France vor. Erik Zabel, Olaf Pollack,Matthias Kessler und Markus Fothen sind seit einer Woche beim Giro d'Italia unterwegs.

Für Andreas Beikirch sieht das Wochenendprogramm so aus: Gestern Gütersloh, heute Bocholt, morgen Oberhausen, am Montag Köln-Longerich und am Mittwoch Michelstadt im Odenwald. Neidgefühle kommen bei dem 35-Jährigen dennoch nicht auf, auch wenn er im Rückblick auf zweieinhalb Jahrzehnte im Rennsattel ungeschminkt feststellt: "Ich hätte mehr draus machen, mehr erreichen können." Immerhin war Andreas Beikirch 1988 Junioren-Weltmeister im Punktefahren. Im geschlagenen Feld damals: Erik Zabel. Der (Ost-) Berliner wurde nur Fünfter, musste nach dem Rennen mit seinem Bahnrad auf der Schulter zu Fuß zurück ins Hotel. "Nicht nur wegen seiner Platzierung, sondern, weil er vor dem Rennen mit dem Klassenfeind gesprochen hatte", erinnert sich Beikirch. Zabel hatte den "Wessi" um dessen Mütze mit dem Emblem des Bundes Deutscher Radfahrer gebeten.

Im Tausch erhielt Beikirch Zabels Vereinstrikot vom TSC Berlin: "Das hängt heute noch bei mir im Schrank." Seither verbindet die beiden Sprintspezialisten eine Freundschaft. Doch ihr Lebensweg verlief unterschiedlich: Zabel stieg zum gefeierten Helden des Team Telekom (heute T-Mobile) auf. Beikirch strampelt sich bei kleinen und mittleren Rennen ab, um die fünfköpfige Familie zu ernähren. "Ich bin zu spät auf den Zug aufgesprungen", sagt Beikirch heute. Schuld waren zwei Faktoren: "Ich war nie der trainingsfleißigste, sondern einer, der viel vom Talent gelebt hat", schätzt der 35-Jährige sich selbst ein. Eine Haltung, die von seinem "Entdecker" und Trainer Franz Hünerbein eher noch gefördert wurde: "Seine Devise lautete: Lass' es ruhig angehen", erinnert sich Andreas Beikirch. So habe er zur Zeit seines Junioren-Weltmeistertitels gerade mal 12 000 Kilometer im Jahr trainiert.

"Heute musst du in dem Alter mindestens das Doppelte fahren, wenn du vorne dabei sein willst", weiß Beikirch. Der zweite Grund lag im Verband: "Damals hattest du als Amateur dank Sporthilfe und der Unterstützung des Vereins ein gutes Auskommen, besser als viele Profis." Der Anreiz, in einen Profi-Rennstall zu wechseln, sei deshalb eher gering gewesen: "Außerdem gab es dieses ganze System, wie wir es heute mit GS III, GS II und GS I Teams haben, in Deutschland damals noch nicht." Hätte sich damals ein Team um Jungprofis gekümmert, so wie es Gerolsteiner heute beispielsweise mit Markus Fothen macht, wäre vielleicht manches anders gekommen im Leben des Andreas Beikirch. So aber bleibt im nur , zu sagen: "Wenn ich zurückblicke und mich frage: Was hast du daraus gemacht?, dann muss ich sagen: definitiv zu wenig." Von seiner Veranlagung her wäre er zwar nie ein kompletter "Rundfahrer" geworden, "weil ich die Berge nicht hochkomme."

Doch von der Sprintfähigkeit her "hätte ich mir zugetraut, die Rolle von Erik Zabel oder bis zu dessen Dopingsperre von Danilo Hondo zu spielen," sagt Beikirch und verweist auf das Beispiel Sven Teutenberg: Der sei kein so guter Sprinter wie er, dennoch beendete er vor drei Jahren die Tour de France auf Rang fünf in der Wertung um das Grüne Trikot. Andreas Beikirch bleiben die Eintagesrennen. Rund vierzig davon fährt er im Jahr und hat mit Besorgnis festgestellt, "dass es immer weniger Rennen gibt." Und ihm bleiben die Sechstagerennen, bei denen er sich mit seiner zähen Verbissenheit zu Deutschlands Nummer eins emporgearbeitet hat. Die will er noch ein paar Jahre bleiben: "Weil ich in gewisser Weise ein Spätzünder bin, muss ich ja auch länger dabei bleiben als andere." Die Veranstalter in Bocholt, Oberhausen und Köln wird's freuen. Unter allen Teilnehmernan der NGZ-Sportlerwahl des Monats wurde ein Kettler Mini-Stepper verlost. Er geht an Gisela Schmidt aus Kaarst. Die Gewinnerin wird schriftlich benachrichtigt.

(NGZ)
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