Serie „Mein Remscheid“ Vom urigen Treff bis zur innovativen AG

Remscheid · Kremenholl ist ein unterschätzter Stadtteil, der unter anderem eine erfolgreiche Aktiengesellschaft beherbergt.

 Bürgerschaftlicher Treffpunkt mit urigem Ambiente: Die Denkerschmette an der Kippdorfstraße.

Bürgerschaftlicher Treffpunkt mit urigem Ambiente: Die Denkerschmette an der Kippdorfstraße.

Foto: Meuter, Peter (pm)

Zum Kremenholl muss man sich verirren, um seine steilen Straßenzüge zu erleben. Denn einen anderen Grund haben Auswärtige in der Regel nicht, um bis zum Kremenholler Kopf zu fahren oder gar zu spazieren. Oder etwa doch?

Natürlich sehen die Kremenholler das ganz anders: Viele von ihnen leben seit Jahrzehnten, wenn nicht sogar seit Generationen im Stadtteil und schätzen ihren Wohnort als kleines Idyll am Waldrand, mit einem erst vor wenigen Jahren renaturierten Flusslauf und einem schönen grünen Wanderweg Richtung Honsberg. Alteingesessene Kremenholler erinnern sich noch mit einem Schmunzeln an die alte Fehde zwischen Kremenhollern und Honsbergern. Ihr Stadtteil weist eine sehr lange Tradition als Hofschaft auf und feiert in diesem Jahr sein 650-jähriges Bestehen. Ein lebendiges Vereinsleben treibt hier beispielsweise der Initiativkreis (IK) Kremenholl voran, der neben regelmäßigen Stadtfesten und das nun bevorstehende Jubiläum auch weitere sportliche und kulturelle Angebote für die kleinen und großen Kremenholler schafft. Aber fangen wir auf unserer Marschroute doch vorne an.

 Die Waldbrücke über den Lobach ist der Verbindungsweg zwischen den sich früher in herzlicher Abneigung verbundenen Nachbarn aus Kremenholl und Honsberg.

Die Waldbrücke über den Lobach ist der Verbindungsweg zwischen den sich früher in herzlicher Abneigung verbundenen Nachbarn aus Kremenholl und Honsberg.

Foto: Meuter, Peter (pm)

Für gewöhnlich lässt die Trasse des Werkzeugs Fahrradtouristen kurz am Stadtteil „vorbeischrammen“, der im Osten an Honsberg, im Westen an Vieringhausen und Reinshagen grenzt. Wer die Straßen talwärts erkunden will, muss die Trasse verlassen und sich auf ein Abenteuer einlassen. Unvoreingenommen, aufmerksam. Denn hinter den scheinbar aufgefrischten Farben der Fassaden schlummert Geschichte.

Ein guter Einstieg für Kremenholl bildet die Kippdorfstraße. Hier werden die ersten Kontraste sichtbar: Auf der einen Seite Discounter und Industrie-Charme, auf der anderen Seite Wohnhäuser und kurz vor dem Bahnübergang, unter dem die S7 täglich vorbeidonnert, fast schon unscheinbar die „Denkerschmette“ – ein kultiger Treff, der von dem ehemaligen Remscheider Oberbürgermeister und aktuellen Vorsitzenden des Sportbundes, Reinhard Ulbrich, ins Leben gerufen wurde. Ein beschaulicher kleiner Ort, in dem sich der Gast wie in Oma Ernas Wohnzimmer fühlt. Urig und neudeutsch ziemlich „Vintage“, wo jedoch regelmäßig gut besuchte Lesungen und kleinere Konzerte stattfinden, Singnachmittag und Bridgeturniere. Hier ist die Nostalgie lebendig.

Gleich gegenüber der Denkerschmette, hinter dem ebenfalls unscheinbaren Industrie-Charme, verbirgt sich das Alexanderwerk, ein traditionsreiches Unternehmen. 1885 gründete Alexander von der Nahmer eine Gießerei, die sich in den Folgejahren zu einem Weltunternehmen entwickeln sollte. Nahmer ließ in der Gießerei einen handbetriebenen Fleischwolf fertigen, von denen sich sicherlich noch einige alte Exemplare in Remscheider Hauhalten befinden. Vom Fleischwolf wandte sich das Unternehmen nach dem Zweiten Weltkrieg allerdings ab um sich, bis heute, der Pharmaindustrie zu widmen. Denn was viele vielleicht gar nicht wissen: Das Remscheider Alexanderwerk, mittlerweile eine Aktiengesellschaft, gilt als Marktführer im Bau von Kompaktierern und Granulatoren, also jenen Maschinen, die aus Wirkstoffen Tabletten pressen. Die Remscheider Industriegeschichte, sie schlummert auch in Kremenholl.

Wer seinen Spaziergang nach so viel Geschichte fortsetzt, kommt spätestens nach einigen Schritten hinter dem Bahnübergang an eine Abzweigung: rechts, steil bergab, weiter auf der Kippdorfstraße? Oder links, etwas beschaulicher, in die Maxstraße? Aber keine Angst: In Kremenholl kann man sich gar nicht richtig verlaufen, denn egal, wofür man sich entscheidet, am Ende landet man so oder so – an alten Straßen und ehemaligen Arbeitervierteln vorbei, wie etwa die Bernhardstraße, deren Charme, trotz einzelner Renovierungsmaßnahmen, immer noch präsent ist – am Kremenholler Kopf. Es ist das einstige Zentrum des Stadtteils, mit Schule, Kita und einem leerstehenden Supermarkt, der früher die Menschen im Tal versorgte.

Das einstige Zentrum scheint verschlafen und leer. Mehrfach hatten sich die Bewohner darum bemüht, dem alten „Konsum“ wieder Leben einzuhauchen, mit einem kleinen Café oder tatsächlich erneut mit einem kleinen Supermarkt. Bislang ohne Erfolg. Das Schulzentrum wurde in den vergangenen Jahren als Flüchtlingsunterkunft genutzt, in der Schul-Aula oder auf dem Schulhof finden die Aktionen und Veranstaltungen des IK Kremenholl statt.

Den Abschluss der Tour endet, wie sollte es anders sein, an einem der beliebtesten Orte der Kremenholler, am Rande ihres Stadtteils, mitten im Wald am kleinen, rauschenden Lobach.

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