Eishockey, Regionalliga „Das hat nichts mit Altersmilde zu tun“

Interview | Ratingen · Der neue Eishockey-Trainer der Ratinger Ice Aliens, Frank Gentges, spricht über den Erstkontakt, die Ziele, die Kaderplanung und die Unterschiede zwischen Regional- und Profiliga.

 Gemeinsam für die Ratinger Ice Aliens: Sportobmann Wilfried Tursch, Schatzmeister Uwe Esser, Trainer Frank Gentges und Vorsitzender Rainer Merkelbach (von links).

Gemeinsam für die Ratinger Ice Aliens: Sportobmann Wilfried Tursch, Schatzmeister Uwe Esser, Trainer Frank Gentges und Vorsitzender Rainer Merkelbach (von links).

Foto: Ice Aliens

Herr Gentges, wie kam der Kontakt zu den Ice Aliens zustande?

Gentges Ich habe schon vor einiger Zeit einen Anruf vom Ratinger Vorstand bekommen, der anscheinend durch einen seiner Spieler über meine aktuelle Situation informiert wurde. Dann haben wir uns zusammengesetzt und die Möglichkeiten ausgelotet.

Wie sind Ihre ersten Eindrücke?

Gentges Der Vorstand hat mir ein gutes Gefühl vermittelt, und auch die Spieler die ich schon kenne, geben mir ein gutes Gefühl. Mir war aber schon vorab bewusst, dass ich das Thema Regionalliga – wenn überhaupt – dann nur mit den Ratinger Ice Aliens angehen würde. Jetzt aber muss ich mir erst mal ein Bild von der aktuellen Situation machen und dann schauen was möglich ist.

Es heißt, Sie dürfen aufgrund Ihres Arbeitsunfalls auf dem Eis zu Saisonbeginn 2019/2020 aus versicherungstechnischen und gesundheitlichen Gründen aktuell nicht im Profibereich arbeiten.

Gentges So ist es, es ist noch ein schwebendes Verfahren.

Sind Sie deswegen in die niederländisch-belgische BENE-League gewechselt, die trotz höchster Liga des Landes nicht als Profi-Liga zählt?

Gentges Nach über fünf Jahren meiner Tätigkeit bei den Moskitos Essen wollte ich den Verein innerhalb der Saison 2019/2020 nach der Vorbereitungsphase unbedingt verlassen, um ins entfernte Ausland zu wechseln. Die Freigabe vom Verein zog sich hin, und dann kam der Arbeitsunfall auf dem Eis mit erheblichen gesundheitlichen Folgen. Der Wechsel ins Ausland hatte sich damit zerschlagen. Dann kam das Angebot der Nijmegen Devils aus der BENE-League, dann kam Corona. Im ersten Jahr wurde die Saison deswegen im Halbfinale abgebrochen, im zweiten Jahr wurde die Saison trotz mehrerer Startversuche dann komplett ausgesetzt, und die erste Mannschaft der Nijmegen Devils ging wegen enormer finanzieller Unregelmäßigkeiten des Vorstands, in Insolvenz. Dann habe ich beim neu gegründeten Klub Nijmegen Wolves zugesagt, der dann aber wegen der Vorgeschichte mit den Nijmegen Devils für die abgelaufene Saison keine Lizenz für die BENE-League bekommen hat.

Sehen Sie die Regionalliga jetzt als Rückschritt?

Gentges Natürlich ist das sportlich ein Rückschritt, aber ich darf, kann und will aktuell nicht im Profi-Bereich arbeiten. Die Alternative wäre also, ganz aufzuhören, und damit hatte ich mich eigentlich auch schon arrangiert, bis der Anruf aus Ratingen kam. Nach 50 Jahren Eishockey, von denen ich rund 40 Jahre als Profi tätig war, muss ich mich in meinem Alter nicht mehr verwirklichen. Ich habe mich jetzt für die Ratinger Ice Aliens entschieden und werde jetzt alles tun, um der Mannschaft und dem Verein bestmöglich zu helfen. Ich freue mich auf die neue Aufgabe.

Wahrscheinlich haben Sie sich noch nie mit der Regionalliga beschäftigen müssen. Wie informieren Sie sich über die Liga?

Gentges Ich kenne Regionalliga-Teams nur von einigen Vorbereitungsspielen. Es wird aber kein Problem sein, mich ab sofort über verschiedene Wege optimal zu informieren, und sobald die Spiele beginnen, werde ich schnell zu einer finalen Einschätzung kommen.

Sie haben in Ihrer Karriere sowohl als Spieler als auch als Trainer und Manager ausschließlich im Profibereich gearbeitet. In der kommenden Saison werden Sie in einem Umfeld arbeiten, in dem die Spieler Eishockey nur als Hobby betreiben. Wie ist da Ihre Herangehensweise?

Gentges Natürlich bedarf es einer vollkommen anderen Herangehensweise. Der größte Unterschied wird im zeitlichen Umfang sowie im Umgang mit den Spielern und in den Erwartungen an die Spieler liegen. Nichtsdestotrotz wollen auch die Spieler in der Regionalliga erfolgreich sein und Spiele gewinnen, und auch in der Regionalliga bekommt man nichts geschenkt.

Sie gelten als absoluter Eishockey-Fachmann und akribischer Arbeiter, der sehr hart und viel trainieren lässt, sowie sehr emotional ist. Sie sollen mittlerweile aber auch „altersmilde“ geworden sein.

Gentges Das hat nichts mit altersmilde zu tun, sondern mit dem Wissen, dass man mit der aktuellen Spieler-Generation ganz anders umgehen muss, um erfolgreich zu sein, und das ist für mich als Senioren-Trainer immer das primäre Ziel. Mit den Arbeitsumfängen, den Ansprachen an die Spieler oder den Umgang mit ihnen, wie es vor einiger Zeit war, wird man in der heutigen Zeit bei den Spielern keinen Erfolg mehr haben. Was die Emotionalität betrifft, muss ich mich alleine schon aus gesundheitlichen Gründen enorm runterfahren.

Wie schätzen Sie das Niveau Ihrer Mannschaft ein?

Gentges Aktuelle Äußerungen von mir diesbezüglich wären Spekulationen, und davon halte ich nichts. Zur genauen Einschätzung muss ich die Vorbereitungsphase und die ersten Testspiele abwarten. Um uns dann Saisonziele zu setzen, muss ich das Niveau des Teams im Verhältnis zur Konkurrenz beurteilen können. Fakt ist aber, dass sich der Kader in der Spitze um einiges verbessern muss, insbesondere da einigen Abgängen aktuell kein einziger Neuzugang gegenübersteht, außer dem Tausch auf der Torhüter-Position, und auch die anderen Regionalliga Teams sich entsprechend verstärkt haben. Das Problem ist aber, dass wir jetzt schon Mitte Juli haben und der Markt an geeigneten Spielern, die finanziell und geografisch ins Ratinger Konzept passen, so gut wie leer ist. Egal wo ich gearbeitet habe, habe ich immer aus den zur Verfügung stehenden Mitteln den optimalen Erfolg herausgeholt, mehr geht nicht, und ich gehe fest davon aus, dass es mir auch mit den Ratinger Ice Aliens gelingen wird.

Welches Eishockey möchten Sie spielen lassen?

Gentges Erfolgreiches. Man kann das Spiel aggressiv oder nicht so aggressiv angehen, etwas anderes gibt es nicht. Natürlich gibt es bei mir unter klarer Berücksichtigung der Mannschaftsstruktur, die ich aber erst einmal analysieren muss, eine klare System-Vorgabe, aber wichtiger sind die Basics. Gehen Sie davon aus, dass in der Regionalliga genau wie in der NHL die gleichen Parameter über Sieg und Niederlage entscheiden, eben nur auf einem anderen Niveau. Weder bei der WM noch in der NHL, also auf allerhöchstem internationalen Niveau, habe ich im taktischen und strukturellen Bereich aktuell irgendetwas Neues gesehen. Das Spiel wird nicht mehr neu erfunden, es gibt keine Geheimnisse mehr, alles ist heutzutage genau einsehbar und messbar. Bekannten Dingen werden nur neue Namen gegeben.

(RP/ame)
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