Ratingen Schöne Aussicht, Zukunft offen

Düsseldorf · Das Hotel am Markt ist ein Jahr nach der Wiedereröffnung als Arbeitslosenprojekt gut belegt. Die Zahlen übertreffen alle Erwartungen. Nur die Zukunft ist ungewiss. Buchungsanfragen schon für 2012.

Die Frage, ob hier nur Arbeitslose übernachten dürfen, stellen an der Rezeption vom Hotel am Markt meist nur Ratinger. Den übrigen Gästen ist es egal, wer für den perfekten Service im Zwei-Sterne Garni-Hotel sorgt. Nach der Pleite des Familienunternehmens haben SkF und Diakonie das Hotel unter neuem Namen übernommen. Langzeitarbeitslose haben dort einen festen, tariflich bezahlten Job gefunden. Die erste Jahresbilanz kann sich sehen lassen: Die Auslastung liegt mit 40 Prozent doppelt so hoch wie erwartet. Schon jetzt liegen sogar Anfragen für 2012 vor.

Der Blick aus dem Frühstücksraum oder den Zimmern darüber könnte in Urlaubsorten nicht schöner sein: Marktplatz und Kirche sorgen gerade im Sommer für ein romantisches Ambiente. Unterkünfte mitten in der Stadt – das kann kaum eine der großen Hotelketten bieten. Auch der Preis spricht für sich. "Ab 50 Euro aufwärts", wirbt Hotelchefin Stephanie Haag. Die Diplom-Sozialpädagogin hat ursprünglich im Hotelgewerbe gelernt. "Ein echter Glücksgriff", schwärmt Erhard Raßloff, Leiter des Sozialamtes. Er war bei der Geburtsstunde des Hotels dabei. Bekanntlich soll der gesamte Bereich überplant und neu bebaut werden. Doch der Bürgermeister habe keinen Leerstand haben wollen und fragte mal in einer Runde, ob nicht jemand eine Idee hätte. Und mit Blick auf die Arbeitslosenprojekte und die hervorragende Zusammenarbeit mit SkF und Diakonie schlug Raßloff die Weiterführung als Hotel vor.

Alles wird selbst gemacht

Kollegen hätten ihn damals für verrückt erklärt, erinnert sich Raßloff heute amüsiert. Doch das Projekt nahm schnell Fahrt auf. Am 1. Juli 2009 war die Eröffnung, wenige Monate später "stand" das komplette Team: vier Festangestellte mit DEHOGA-Tarif, eine Mutter in Teilzeitausbildung sowie Aushilfen auf 400-Euro-Basis. Allesamt berufsfremd, aber mittlerweile mehr als nur "eingearbeitet". Der Baubetriebshof sorgt für Reparaturen, sofern sie vom Team nicht selbst erledigt werden: Ein Mitarbeiter ist Schlosser.

Der Gast merkt nichts von der ungewöhnlichen Geschäftskonstruktion: Immerhin handelt es um eine gemeinnützige Einrichtung. Das Hotel hat den schlichten Charakter der 70er Jahre. Es wurde 1973 gebaut, und seitdem wurde nicht viel verändert. Das Geld reichte vor einem Jahr gerade mal für ein paar Anstriche und Kleinigkeiten. "Das Hotel mit Charme im Retrostil" wirbt man für das Haus, dessen Standards in ähnlichen Häusern auch nicht viel besser sind.

Im Dunstkreis der Messestadt Düsseldorf setzt man gezielt auf Messegäste und Geschäftsleute. Die Einrichtung eines W-LAN-Netzes, also Internet per Hausfunk, gehörte zu den ersten Arbeiten. Denn bei Tagungen im Seminarraum will man schließlich auch Verbindung zur Außenwelt haben.

Mit der Auslastung ist Haag sehr zufrieden. Mit nur 20 Prozent habe man gerechnet, nun seien es 40 Prozent. Etwa ab 50 Prozent, so die Fachfrau, lasse sich ein Hotel wirtschaftlich betreiben. Doch man schreibe bereits schwarze Zahlen.

Die Buchungsanfragen für 2012 müsse man leider erst einmal "auf Halde" legen: Wegen der ungewissen Zukunft könne man sie nicht bestätigen. Dabei sei gerade das Messejahr 2012 besonders wichtig: Unter anderem findet wieder mit der Drupa die weltgrößte Druckschau in Düsseldorf statt. "In dieser Zeit könnte ich das Haus dreimal verkaufen", so Haag. Auch bei anderen Messen ist bekanntlich in weitem Umkreis kein Hotelzimmer mehr zu finden, leistet sich das Gastgewerbe exorbitante Aufschläge auf die Übernachtungspreise.

Selbst aus dem Brauchtum ist das Hotel am Markt nicht wegzudenken: Traditionell wird am kommenden Montag dort mit viel Pomp die Königin eingekleidet und per Fackelzug abgeholt.

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(RP)
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