Oberschlesisches Landesmuseum Jüdisches Leben – eine Spurensuche

Eine neue Ausstellung im Oberschlesischen Landesmuseum an der Bahnhof­straße in Hösel beschäftigt sich mit jüdischem Leben an der Oder.

 Kuratorin Magdalena Gebala sprach einführende Worte.

Kuratorin Magdalena Gebala sprach einführende Worte.

Foto: RP/OSLM

(RP) Ein verwitterter Stein mit hebräischer Inschrift an einem Flussufer. Das zentrale Bildmotiv der Ausstellung im „Im Fluss der Zeit. Jüdisches Leben an der Oder“ ist in kühles Blaugrün getaucht. Treffender hätte die Bildwahl für die neue Sonderausstellung im Oberschlesischen Landesmuseum nicht sein können.

Ausstellungskuratorin Dr. Magdalena Gebala vom Deutschen Kulturforum östliches Europa in Potsdam erzählte anlässlich der Ausstellungseröffnung  in Hösel die Geschichte dazu und viele andere bewegende Geschichten zum jüdischen Leben an der Oder, einer Landschaft mit wechselnden herrschaftlichen und nationalen Zugehörigkeiten, die über Jahrhunderte ein Begegnungsraum verschiedener Kulturen war.

Der Stein ist ein Grabstein und er gehörte zu einem jüdischen Friedhof, der in jüngerer Zeit einem Hotelkomplex weichen musste. Angler haben den Stein in der Oder gefunden. Die Geschichte dieses Grabsteins ist beispielhaft für die Geschichte jüdischen Lebens an der Oder. Hier kreuzten sich die deutsch-jüdische und polnisch-jüdische Kultur, die durch den Nationalsozialismus ein gewaltsames Ende nahm.

Nach dem Zweiten Weltkrieg wurden weite Abschnitte der Oder zur deutsch-polnischen Grenze und die deutsche Bevölkerung aus den Regionen östlich des Flusses vertrieben. Polen fanden dort eine neue Heimat und für kurze Zeit schien es, dass in Niederschlesien und Pommern jüdisches Leben heimisch werden könnte, siedelten sich doch mehrere Zehntausend polnisch-jüdische Überlebende des Holocaust dort an. Die meisten wanderten bis Ende der 1960er Jahre wieder aus. Die jahrhundertelange Anwesenheit von Juden an der Oder geriet in Vergessenheit, ihre Spuren wurden oft zerstört, wie die des jüdischen Friedhofs. Heute leben schätzungsweise wenige tausend Juden in Polen. Insbesondere nach 1989 sind in Stettin, Sohrau, Liegnitz und Breslau neue Zentren jüdischen Lebens entstanden, weiß Magdalena Gebala in ihrem einführenden Vortrag zu berichten. In der anschließenden Führung durch die Ausstellung stellte die Kuratorin dem interessierten Publikum in geschichtlichen Längsschnitten Beispiele jüdischen Lebens an der Oder vor.

Auch im multiethnischen Oberschlesien war die jüdische Kultur fest in der Gesellschaft verankert. Sebastian Wladarz, Vorstandsvorsitzender der Trägerstiftung des Museums zählte in seinem Grußwort gleich mehrere Persönlichkeiten mit jüdischen Wurzeln auf, die aus Oberschlesien stammen, z.B. Maria Goeppert-Mayer und Otto Stern, beide Physiker und beide Nobelpreisträger, und Oscar Troplowitz, ein Apotheker aus Gleiwitz, der die Nivea-Creme erfand, in Hamburg das Unternehmen Beiersdorf kaufte und es zum Weltkonzern entwickelte, sowie Leo Baeck, der viele Jahre Rabbiner in Oberschlesien war.

Dass zur Ausstellungseröffnung auch der Leiter der Alten Synagoge in Essen, Dr. Uri R. Kaufmann, den Weg nach Hösel gefunden hatte, freute Wladarz besonders. Darüber hinaus konnte er Ratingens Ersten Stellvertretenden Bürgermeister Wolfgang Diedrich sowie weitere Ehrengäste aus Kultur und Politik begrüßen. Seinen Dank richtete er nicht nur an Gebala und nach Potsdam, sondern auch an Dr. Maren Hachmeister, wissenschaftliche OSLM-Mitarbeiterin, die die Ausstellungsstation in Ratingen verantwortet und den Aufbau gemeinsam mit dem OSLM-Team realisiert hat. Am Ende des Nachmittages waren sich alle Gäste einig: Dieser Sonntag im Oberschlesischen Landesmuseum hat sich gelohnt.

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