Prozess um getöteten Elfjährigen in Neuss Jugendamt berichtet von verwahrloster Wohnung

Neuss/Düsseldorf · Im Prozess um den Neusser Sven F., der seinen elf Jahre alten Neffen Jörg getötet haben soll, sagten am Donnerstag zwei Mitarbeiter des Jugendamtes aus. Im Fokus stand ein Besuch bei der Ehefrau des Angeklagten.

Neuss: Prozess um getöteten Jungen Jörg F. in Neuss startet
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Prozessauftakt um getöteten Jungen in Neuss

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Foto: dpa/Federico Gambarini

Immer wieder versteckt sich Sophie F. hinter ihrer Begleitung, als die Kameras auf sie gerichtet werden. Es sind verzweifelte Versuche, sich der Aufmerksamkeit zu entziehen, doch auch nach Beginn der Verhandlung dreht sich am Donnerstag vor dem Düsseldorfer Landgericht fast alles um die Frau des Angeklagten Sven F., dem die Staatsanwaltschaft Düsseldorf vorwirft, seinen elf Jahre alten Neffen Jörg am 5. Oktober so schwer misshandelt zu haben, dass der Junge Tage später seinen Verletzungen erlag.

Am Donnerstag wurden unter anderem zwei Sozialarbeiter des Neusser Jugendamtes angehört. Im Fokus stand dabei ein Besuch in der Wohnung von Sophie F.; dieser war nach Angaben der beiden Mitarbeiter angeordnet worden, nachdem am 15. Juni öffentlich wurde, dass Sven F. sein anfängliches Geständnis widerrufen hat – und nun seine Ehefrau beschuldigt. Bereits am nächsten Tag wurde das Duo bei der Weckhovenerin vorstellig. „Sie war ruhig und sachlich“, sagte eine Sozialarbeiterin – kein Zittern, kein Stammeln, wie sie auf Nachfrage von Richter Markus Immel betonte. „Sie sagte, sie glaube nicht, dass er sie wirklich beschuldigt und dass sie weiterhin zu ihm steht“, führte sie aus. Den Zustand der Wohnung beschreibt die Zeugin als „verwahrlost“.

Der Besuch am 16. Juni sei laut des zweiten Sozialarbeiters auch angeordnet worden, weil es durch die plötzliche Beschuldigung der Ehefrau zu Bedrohungsszenarien aus der Nachbarschaft gegenüber den Kindern kommen könnte. Diese wurden mittlerweile vom Jugendamt in Obhut genommen. Hintergrund ist die Zeugen-Aussage von Sophie F. am 4. Juli. Da gab sie plötzlich an, den Jungen geschlagen zu haben, weil er sich angeblich geweigert haben soll, duschen zu gehen. Sie habe schlichtweg „Rot gesehen“ und ihm mit der linken Hand eine Ohrfeige gegeben. Danach sei der Junge mit dem Kopf gegen die Wand oder eine Handtuchstange geprallt.

Im Anschluss soll Jörg laut Sophie F. aber noch bei vollem Bewusstsein gewesen sein. Wie es zu den letztendlich tödlichen Verletzungen kam (der Junge wurde unter anderem verbrüht), könne sie sich nicht erklären. Erst später hätten sie und ihr Mann im Badezimmer nachgeschaut und den schwer verletzten Jungen vorgefunden. Rettungskräfte reanimierten den Jungen zwar zunächst, er starb jedoch Tage später. Die Verfahrensbeteiligten machten deutlich, dass sie Sophie F. diese Version nicht abkaufen.

Auf Nachfrage des Richters, warum man aufgrund des verwahrlosten Zustandes der Wohnung die Kinder nicht schon eher in Obhut nahm, antwortete der Mitarbeiter des Jugendamtes am Donnerstag, dass es diesbezüglich mehrere Krisengespräche gegeben habe. Damals habe man aber noch von einer Inobhutnahme abgesehen.

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