Kampf gegen das Insektensterben Ministerin wirbt für Insektenschutz

Neuss · Heimspiel für Svenja Schulze. Die Bundesministerin für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit besuchte ihre Heimatstadt Neuss und stellte in einer Diskussion auf dem Kinderbauernhof ihre Pläne gegen das Insektensterben vor.

 Bundesumweltministerin Svenja Schulze ließ sich von Imkerin Caroline Urban am Bienenhaus des Kinderbauernhofes in die Imkerei einführen.

Bundesumweltministerin Svenja Schulze ließ sich von Imkerin Caroline Urban am Bienenhaus des Kinderbauernhofes in die Imkerei einführen.

Foto: Woitschützke, Andreas (woi)

Bundesumweltministerin Svenja Schulze (49) ist im Schulgarten ihrer alten Penne, dem Gymnasium Norf, vielleicht nie durch besonderen Eifer für die Natur aufgefallen. Doch den Kampf gegen das Insektensterben hat die 49-Jährige angenommen und führt ihn mit der ihr eigenen Überzeugungsfähigkeit – gegen die Agrarlobby, die Chemie der „Unkrautvernichter“ und gegen die EU-Bürokratie. Rückendeckung in diesem Ringen erhielt sie jetzt von der Parteibasis in ihrer Heimatstadt Neuss, wo sie am Dienstag bei einem Besuch des Kinderbauernhofes für das Insektenschutzprogramm aus ihrem Ministerium werben konnte.

„Insektenschutz ist systemrelevant“, stellte Arno Jansen in Abänderung einer Formulierung aus der Finanzkrise vor nicht einmal zehn Jahren fest. Damals waren die Regierungen bereit, Milliarden zur Rettung und Stabilisierung von angeschlagenen Banken freizugeben. Und für den Insektenschutz?

Auch da wird es am Ende um Geld gehen, sagte Schulze. Damit meint sie nicht, dass reisende Imker für die Bestäubungsleistung ihrer Völker in der Garten- und Landwirtschaft entlohnt werden. „Mein Ziel ist, dass es überall Insekten gibt und man sie nicht irgendwohin transportieren muss“, sagte sie. Aber sie sagt auch: „Wenn die Landwirte Geld dafür bekämen, dass sie Flächen offen lassen oder Blühstreifen anlegen, wäre viel gewonnen.“ Einen eigenen Fonds dafür gibt es zwar auf der Ebene der Europäischen Gemeinschaft nicht. Doch Schulze bleibt dran. „Erste Länder unterstützen uns“. Denn ohne die Landwirtschaft als Partner glaubt sie an kein Happy Ende für die Natur und ihre Artenvielfalt.

Der Besuch der Bundesministerin, die schon der letzten rot-grünen Landesregierung in NRW angehört hatte, war zunächst einmal ein Heimspiel. Ihr alter Klassenkamerad Reiner Breuer, jetzt Bürgermeister der Stadt, bat sie, sich ins Goldene Buch der Stadt einzutragen, bevor er ihr vor Ort die jüngsten Pläne und Entwicklungen für den Kinderbauernhof vorstellt. Dort traf sie zunächst auf ihren alten Schulleiter Rolf Wörhoff, der Schulze in der Schülermitverwaltung als zielstrebig, redegewandt und offen für soziale Themen erlebte – nur eben nicht für den Schulgarten. Und sie traf dort ihren Vater, ihren Bruder, Nichte und Schwägerin, die machten, was auch Schulze in ihrer Kindheit oft und gerne am Kinderbauernhof tat: „Natur erleben. Das braucht der Mensch“.

Der aber braucht auch eine Umwelt, in der blüten-besuchende Insekten eine Heimat haben. 70 Prozent der Menge an Insekten sei im vergangenen Vierteljahrhundert verloren gegangen, zitierte Schulze aus der Langzeitstudie eines Krefelder Institutes. Und sie ermunterte dazu, sich die Supermarktsortimente genauer anzusehen. Würde man alles aus den Regalen räumen, was ohne Hilfe von Insekten zustande kommt, „bliebe nicht viel übrig.“

Jansen glaubt deshalb, dass Insektenschutz eine kommunale Aufgabe sein muss, um Breitenwirkung zu haben. Seine Fraktion hat dazu einen Antrag formuliert, der wie Treibstoff in der Verwaltung wirken soll, noch mehr in dieser Hinsicht zu unternehmen.

Dabei konnte der Bürgermeister in der Diskussion mit etwa 50 Gästen in der Scheune schon auf viele Bemühungen verweisen. Er sprach von Umweltpädagogik, die im Kinderbauernhof als Naturschutzzentrum schon eine Heimat hat. Er verwies auf den bestehenden Biotop-Verbundplan, der ökologische Inseln in der Stadt miteinander vernetzt und von der noch ausstehenden Diskussion über den Pflegestandard bei öffentlichen Grünflächen: „Muss es der englische Rasen sein, oder kann man nicht sagen: let it grow, lass wachsen?“ Er sprach aber auch von dem Versuch, im Dialog mit den Pächtern städtischer Flächen den Wirkstoff und Insekten-Killer Glyphosat zu verbannen – und von dem städtischen Förderprogramm zur Dach- und Fassadenbegrünung.

Neben dieser Debatte blieb aber auch Zeit, das Bienenhaus im Bauerngarten des Hofes zu besuchen. Dort warben Imker wie Thomas Krauß dafür, präzise zu bleiben: „Die Honigbiene ist nicht gefährdet, wohl aber die Wildbienenarten.“

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