Konzert in Neuss Kammerchor „Capella Quirina Neuss“ setzt Maßstäbe

Neuss · „Tenebrae“, Dunkelheit und Finsternis, hat Münsterkantor Joachim Neugart ein Chorgebet bezeichnet, zu dem er mit seinem Kammerchor „Capella Quirina Neuss“ am Palmsonntagabend in die Quirinusbasilika einlud.

 Joachim Neugart und der Kammerchor „Capella Quirina Neuss“ bei einem Konzert im Juni 2020.

Joachim Neugart und der Kammerchor „Capella Quirina Neuss“ bei einem Konzert im Juni 2020.

Foto: Münster Musik Neuss/MünsterMusikNeuss

Erstmals erklangen in Neuss die Responsorien zur Karwoche, die der bedeutende Renaissancekomponist Tomás Luis de Victoria verfasst hat. Der Spanier, der als Kapellmeister im römischen Collegium Germanicum wirkte, hat das unter seinen Kompositionen herausragende „Officium Hedomadae Sanctae“ (Feier der heiligen Karwoche) nach der Rückkehr in seine Heimat 1585 geschrieben.

Er blieb dabei der Römischen Schule mit ihrer Nähe zur Musik Palestrinas treu. Neun Responsorien (Antwortgesänge zu Inhalten des Evangeliums) aus dem insgesamt 37 Stücke enthaltenden Officium machte die Capella Quirina zu einem expressiven Beginn der Karwoche: Klage, Qual und Leiden aus geistlicher Sicht wurden so unmittelbar erfahrbar, weil das Ensemble unter seinem Leiter Joachim Neugart erneut interpretatorische Maßstäbe schuf.

Wie es manchmal der Zufall will: Die Kultursparte des Deutschlandfunks übertrug am gleichen Abend einen Teil der gleichen Responsorien. Der Musikwissenschaftler Rainer Baumgärtner hinterfragte dabei: Werden helle Frauenstimmen dem dunklen Gehalt der Gesänge gerecht, wo doch in der Zeit um 1600 Frauen vom Gesang in christlichen Kirchen ausgeschlossen waren? Stützt das die Intimität und Intensität der Stücke? Die Antwort hätte er in Neuss bekommen können: Die reine und perfekte Intonation des Kammerchores, der auch durch die wegen Corona weit auseinander gezogene Aufstellung höchst sensible Chorklang, der madrigalartige Charakter der Responsorien ließen keine Wünsche, also auch Fragen offen. Mehr noch: Die Schönheit der Melodien in dahinfließender Vokalpolyphonie der Spätrenaissance kommt erst im hochklassigen gemischten Chor schließlich vollkommen zur Geltung.

Nicht gleichermaßen überzeugte das Solistenquartett mit Elisa Rabanus (Sopran), Elvira Bill (Alt), Leonhard Reso (Tenor) und Sebastian Klein (Bass). Der Bassist sorgte für gelegentliche Unsicherheiten, denen sich nur Leonhard Reso mit einer ungemein starken Partie entziehen konnte. Den roten Faden des Chorgebetes knüpfte Pfarrer Elmar Kirchner, der in Gebeten und Lesungen aus dem Markus-Evangelium jeweils die Inhalte der folgenden Responsorien andeutete.

Nach seinem Segen und der Entlassung hätte man gerne nochmals de Victorias Motette zum Karfreitag „Popule meus“ (Mein Volk, was habe ich dir getan?) gehört, die der Kammerchor nach Markus‘ Schilderung „Jesus stirbt am Kreuz“ in ergreifender Interpretation gesungen hatte.

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