Muslimische Gemeinde Neuss Täglichen Rassismus im Visier

Neuss · Auf Einladung der Ahmadiyya Gemeinde diskutierten Experten über ein gesellschaftliches Phänomen. Sie sind überzeugt, dass man Vorurteile nur im Dialog ausräumen kann, rassistischen Zwischenfällen aber auch mit Entschlossenheit begegnen muss.

 Als vor einem Jahr viele Neusser dem Aufruf zu einer Nelken-Demonstration folgten, mit der der Opfer eines rassistischen Anschlags in Hanau gedacht werden sollte, bezogen auch Vertreter der Ahmadiyya Gemeinde Position.

Als vor einem Jahr viele Neusser dem Aufruf zu einer Nelken-Demonstration folgten, mit der der Opfer eines rassistischen Anschlags in Hanau gedacht werden sollte, bezogen auch Vertreter der Ahmadiyya Gemeinde Position.

Foto: Christoph Kleinau

Rassismus ist ein Thema, das nicht verschwindet. Im Gegenteil. Aufkommender Populismus, verstärkte Hetze im Netz gegen Andere und Vorurteile in ganz alltäglichen Begegnungen gehören zum Alltag von Menschen anderer Religion oder Herkunft. Mit Rassismus in der Gesellschaft beschäftigte sich am vergangenen Samstag eine digitale Podiumsdiskussion, zu der die muslimische Ahmadiyya Gemeinde eingeladen hatte. Rund 60 Teilnehmer folgten der Videokonferenz.

Tanweer Bhatti moderierte die Runde und gab eine kurze Einführung zu Ahmadiyya, einer muslimischen Reformgemeinde, die seit in 1980er Jahren in Neuss vertreten und vielfältig aktiv ist. Leitmotto der derzeit rund 300 Mitglieder ist: Liebe für alle, Hass für keinen. Zuletzt organisierte die Bewegung eine Plakat-Aktion für mehr Toleranz.

Im Einleitungsreferat erklärte der in Köln tätige Imam und Theologe Mahmood Malhi, dass sich der Islam gegen Rassismus wendet. „Der Islam lehrt: Feuer bekämpft man nicht mit Feuer“, erklärt er. Der Islam setze daher vor allem auf Dialog und Gerechtigkeit.

Die erste Frage ging an Deniz Elbir, den neuen Beauftragten für Diversität, Integration und Antirassismus der Stadt Neuss. Er lieferte eine Definition von Rassismus, die sich von Fremdenfeindlichkeit und Ausländerhass abgrenzt. Rassismus sei eine Ideologie, die von äußeren, kulturellen oder religiösen Merkmalen ausgehend den anderen abwertet. „Letztlich geht es um Machtmechanismen“, erklärt er.

An die Kaarster Bürgermeisterin Ursula Baum ging die Frage, ob nicht in jedem ein wenig Rassismus verankert ist. Baum erklärte: „Bei diesem Thema spielen auch immer Ängste mit. Auch ich habe als Frau schlechte Erfahrungen gemacht, aber frühere Bedenken wurden durch positive Begegnungen aufgehoben.“

Zur Frage, wie man am besten auf einen rassistischen Vorfall reagiert, erklärte Stephanie Pampel, Kriminalhauptkommissarin in Neuss: „Auf jeden Fall nicht schweigen. Und Anzeige erstatten.“ Im Rahmen ihrer Präventionsarbeit setzt sie sich vor allem dafür ein, Rassismus als gesamtgesellschaftliches Problem zu betrachten, das nur gemeinsam mit politischer Bildung und Erziehung angegangen werden kann. Ihr Kollege Stephan Engel, Kontaktbeamter der Polizei im Dialog mit den muslimischen Einrichtungen, konstatierte, Vorurteile gäbe es in beide Richtungen. Als Polizist habe er es oft mit Extremsituationen zu tun, aber auch Muslime haben, nach seiner Erfahrung, Vorbehalte, sich an die Polizei zu wenden. „Sind wir alle Rassisten? Ja, gewisse Vorbehalte hat jeder“, sagte Engel.

Mit Blick auf die Integration von Flüchtlingen verwies Ursula Baum auf die Strategie der Stadt Kaarst, kleine Wohneinheiten zu bilden und über das Stadtgebiet zu verteilen. Als problematisch sieht sie aufkommenden Neid in der Gesellschaft, denn Neid schürt Hass.

Zu den jungen Geflüchteten kam Verena Austermann, Vorsitzende der DJK Rheinkraft Neuss, zu Wort. Im Sport begegnen sich Menschen auf einer anderen Ebene, es entstehen neue Kontakte und Freundschaften, sagte sie. Und bestehende Vorurteile werden abgebaut. Das erlebe sie im Sportverein immer wieder.

Beim Thema Kopftuchverbot trat Baum für eine Trennung von Staat und Religion ein. Imam Malhi bestätigte, mit dieser Trennung kein Problem zu haben. Rassismus trete an anderen Stellen auf, sagte er, etwa  wenn Frauen beim Zahnarzt aufgefordert werden, das Kopftuch abzulegen.

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