Neuss Festival mit Licht und Schatten

Neuss · Der Auftakt zum diesjährigen Niederrhein Musikfestival verlief mit der "Classica Cubana"-Nacht in der Raketenstation spektakulär. Die Fortsetzung auf Schloss Dyck konnte da nicht ganz mithalten.

 Bestens gefüllt waren die Reihen im Innenhof von Schloss Dyck bei der "Classica Brasileira".

Bestens gefüllt waren die Reihen im Innenhof von Schloss Dyck bei der "Classica Brasileira".

Foto: ANDREAS BAUM

Mit einem spektakulären Konzert in der Langen Foundation auf der Raketenstation begann das 8. Niederrhein Musikfestival. Die Festivalleitung mit Susanne Geer (Organisation) und Anette Maiburg (künstlerische Leitung) hat mit Cross over-Programmen eine große Fangemeinde neugierig gemacht, so war der große Ausstellungssaal in der "Kathedrale der Moderne" bestens besetzt.

Gespannt war man auf das außergewöhnliche Trio mit Klarinette (Ralph Manno), Akkordeon (Janne Rättyä) und Violoncello (Alexander Gebert). Alle drei sind an Musikhochschulen Professoren ihres Fachs und Spitzenvirtuosen geblieben. Sie schlugen einen Bogen von der Barockmusik bis zur Neuzeit. Zunächst kam Antonio Vivaldis Experimentierlust mit instrumentalen Ressourcen zu neuen Ehren: Seine "Sonata c-Moll" aus Opus für Violine und Basso continuo wurde bei diesem exzellenten Trio zu einem ungemeinen Erlebnis. Ralph Manno, neben seiner erfolgreichen Lehrtätigkeit einer der weltbesten Klarinettisten unserer Zeit, belebt mit mitreißender Körpersprache sein makelloses Spiel. Seine Mitstreiter standen ihm nicht nach. Janne Rättyä zeichnete ein "Jeux d'anches" für Akkordeon solo von Magnus Lindberg als faszinierende Collage, Alexander Gebert beherrschte die schnellen Sätze der "Gambensonate Nr. 1" von Johann Sebastian Bach virtuos. Das einzige originale Stück war "Breathe für Klarinette, Akkordeon und Violoncello" von Sebastian Fagerlund. Die Interpretation riss die Zuhörer förmlich mit – wie auch Nino Rotas "Trio".

Die musikalische Niederrheinreise fand ihre Fortsetzung auf Schloss Dyck, auch hier waren die Besucherreihen lückenlos gefüllt. "Classica Brasileira" hieß das Thema, das die vielfältigen Musikkulturen des südamerikanischen Landes vorstellen wollte. Bemerkenswert, woher Anette Maiburg, die als herausragende Flötistin selbst zum Ensemble gehört, die Künstler zusammentrommelt. Lucas Imbiriba ist einer der gefragtesten brasilianischen Gitarristen, der Venezolaner José Antonio Zambrano spielt nicht nur eine fetzige Mandoline, sondern auch Cavaquinho, ein in den Choro-Orchestern Brasiliens wichtiges Saiteninstrument. Roland Peil gehört zu den besten deutschen Percussionisten. Wlodzimierz Gula (Kontrabass) ist Solo-Bassist bei den Düsseldorfern Symphonikern und gründete dort die Bigband. Das Programm aber reichte bei weitem nicht an die "Classica Cubana"-Nacht auf Schloss Dyck heran. Wie unendlich traurig ist Brasilien?! Sentimentale Modinhas sorgten für verhaltene Stimmung, etliche Choro, im Prinzip Klagelieder, fanden in der "Suite Retratos" von Radamés Gnattali ihren Höhepunkt. Geradezu als Fremdkörper wirkte "Braislasia" von Heike Beckmann, eine musikalische Meditation zu west-östlichen Befindlichkeiten. Ernesto Nazareth, vor allem für seine Tangos brasileiros bekannt, war "nur" mit einem Walzer und einem unbekannten "Corta Jaca" vertreten. Aber da gab es ja noch Regina Advento: Die brasilianische Sängerin belebte mit dunklem Timbre selbst "Manha de Carnaval" von Luis Bonfá, und endlich riss der Welterfolg "Brasilleirinho" von Waldir Azevedo auch das Publikum mit.

(Nima)
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