Shakespeare-Festival Ein kurzer Kobold-Auftritt im Globe

Neuss · Die diesjährige Auftragsproduktion des Shakespeare-Festivals war „Everybody wants to be Puck“. Teresa Zschernig und Aylin Leclaire erörterten darin auch, wie sich weibliche Shakespeare-Figuren heute verhalten würden. Und welche Rolle das Gendern dabei spielt.

 Wie hätte Julias Ende heute ausgesehen? Oder Ophelias Schicksal? Auch um diese Fragen drehte sich „Everybody wants to be Puck“.

Wie hätte Julias Ende heute ausgesehen? Oder Ophelias Schicksal? Auch um diese Fragen drehte sich „Everybody wants to be Puck“.

Foto: Graça und Darius Bialojan

Nur noch vier Wochen sind es bis zur Sommersonnenwende. Auf der Neusser Rennbahn war sie bereits jetzt zu erahnen, denn eine zentrale Figur aus Shakespeares „Sommernachtstraum“ trat beim Globe-Festival auf die Bühne. Besser gesagt: sie legte sich erst einmal eine Weile dahin. „Everybody wants to be Puck“ heißt die diesjährige Auftragsproduktion des Festivals. Eine knappe Stunde lang fragten die Performerin Teresa Zschernig und die Darstellerin Aylin Leclaire danach, „wer wir sind und wer wir eigentlich sein wollen.“ Anhand ausgewählter weiblicher Figuren aus anderen Stücken des Barden schauten sie in die Zukunft und entwarfen alternative Lebensläufe. Wie hätte Julias Ende heute ausgesehen? Oder Ophelias Schicksal? Und was hätte dem heutigen Leben der Lady Macbeth neuen Schub gegeben?

Von ganz oben blickte die „Masteress of Ceremonies“ (Teresa Zschernig) auf eine leere Fläche, bevor dort eine Figur erschien. Gleichzeitig durften die Zuschauer auf einer dreigeteilten Videowand dem tastenden Herumirren einer anderen Person durch einen dunklen Wald folgen. Dazu hieß es: „Akt 1 – wo kommst du her?“ In kurzer Zeit wurden weitere vier Akte angezeigt, ohne dass dabei wirklich etwas geschah. Dank überdeutlicher Hinweise verstand man, dass dieses liegende und kurz darauf tanzende Bühnenwesen in rosa-flaumigem Glitzer und Sneakers Kobold Puck sein sollte. Derjenige also, der in Shakespeares langer Sommernacht, einer „midsummer madness“, den vermeintlich Liebenden solange Zaubersaft in die Augen tröpfelte, bis sie sich aus ihrer bisherigen Verwirrtheit in eine neue stürzten.

Auf den Videowänden waren in der Folge die Frauen aus „Romeo und Julia“, „Hamlet“ und „Macbeth“ zu sehen, und soweit man die begleitenden Texte verstand, hätten alle besser ein anderes Lebensmotto gewählt. Von Sorgen und Gedanken hätten sie sich befreien sollen und sich für eine neue Welt öffnen. Vor allem aber schnellstens dem Gender-Glauben beitreten. Man wartete förmlich auf den berühmten Hamlet-Satz, und der kam dann auch: „To be or not to be“. Im Zauberwald knackte es hierzu, begleitet von Orgelspiel, derart bedeutungsvoll, dass man sich beim Sonntagsgottesdienst einer Sekte glaubte.

Den gewaltigen Shakespeare-Kosmos in Kurzzeit zu präsentieren, gab es schon einmal. Vor 35 Jahren nannten drei freche Amerikaner ihr Bühnenstück „Shakespeares gesammelte Werke in neunzig Minuten“. Mit diesem Feuerwerk aus szenischer Komik hatten sie weltweit Erfolg. Den 500 Jahre alten Barden aber jetzt als Zeugen für die Gender-Brechstange zu nehmen, hinkt. Auf der Elisabethanischen Bühne hatten Frauen nichts zu suchen, dafür sorgten die protestantischen Sittenwächter. Man denke nur an den Film „Shakespeare in Love“.

Die Gender-Therapeuten Tschernig und Leclaire hielten viele Ratschläge bereit. Einer davon hörte sich an wie aus Henrik Ibsens „Peer Gynt“: Sei dir selbst genug! Dieser Anordnung der Trolle folgend wird Ibsens Titelheld ohne Glück durch die Welt getrieben. Hingegen darf sich Puck in der herrlichen Komödie vor dem Davon-Trollen ein Schlusswort gönnen: „Wenn wir Schatten euch beleidigt, ist der Fehler schnell beseitigt. Diesen Firlefanz, der kaum mehr Gehalt hat als ein Traum, tadelt nicht über Gebühr. Und verschont ihr uns dazu mit dem wohlverdienten ‚Buh‘, gibt’s hier bald ein neues Stück. Andernfalls das Geld zurück.“

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