Podiumsdiskussion „Notfallseelsorger brauchen ein Gerüst für sich selbst“

NEUKIRCHEN-VLUYN · Bernhard Ludwig kann sich noch genau an das Frühjahr 2017 erinnern, als in Baerl ein junger Motorradfahrer tödlich verunglückt war und er mit einem Polizeibeamten dem Vater die Todesmeldung überbrachte.

  Foto: dpa-tmn

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„Für ihn war es eine emotionale Erschütterung, die sich nicht in Worte fassen lässt“, sagt der Moerser Notfallseelsorger, Pfarrer und Feuerwehrmann. „Für die Menschen brechen in Sekunden Welten zusammen“, berichtet er.  „Sie reagieren ganz unterschiedlich. Einige realisieren gar nicht die Meldung, weil Tochter oder Sohn, Vater oder Mutter doch am Morgen fröhlich aus dem Haus gegangen sind. Manchmal glauben mir die Menschen erst, wenn ich ihnen Portemonnaie, Mobiltelefon oder Uhr zeige. Andere wissen sofort, was los ist, wenn ein Polizeibeamter und ein Notfallseelsorger vor der Tür stehen. Sie sind froh, wenn ich da bin, manchmal einfach nur zuhöre. Ich nehme mir Zeit.“

Für den 61-Jährigen ist der Beruf Berufung. Am Wochenende war Ludwig Teilnehmer einer Podiumsdiskussion, zu der der Neukirchener Erziehungsverein ins Neukirchener Berufskolleg eingeladen hatte. Jeden Samstag vor dem ersten Advent lädt der Verein zu einem Empfang mit Diskussion ein, den er Neujahrsempfang nennt, weil am ersten Advent das neue Kirchenjahr beginnt. Mit auf dem Podium saß Wolfgang Albers, der von 2001 bis 2014 Bonner Polizeipräsident war, um dort die Notfallseelsorge aus Sicht der Polizei kennenzulernen. Er erzählte vom Fall eines Polizisten, der im Juli 2002 bei „herrlichem Sonnenschein“ bei einem Routineeinsatz „mitten im Stadtteil Bad Godesberg“ erschossen wurde, während der zweite Streifenbeamte schwer verletzt wurde. Eine Polizistin, die mit dem Fall beschäftigt gewesen sei, sei später aus dem Dienst ausgeschieden, erzählte der 62 Jahre alte Bonner, der im Kirchenkreis der Bundestadt aktiv ist. Sie habe der psychischen Belastung des „fast surrealen Falles“ nicht standgehalten und sei Monate später zusammengebrochen. „Jeder hat für sich selbst ein Gerüst aufzubauen, um die Belastung auszuhalten“, sagte Bernhard Ludwig dem Moderator, Professor und Notfallseelsorger im Kreis Viersen Lars Tutt, sowie 120 Zuhörern, darunter Siegmund Ehrmann als Präses und Hans-Wilhelm Fricke-Hein als Direktor des Erziehungsvereins. „Jeder braucht einen Ausgleichssport für die Psyche.“ Für ihn seien das unter anderem das Fahrradfahren und das Familienleben.

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