Diskussion in Moers Alt-68er blicken zurück und nach vorn

MOERS · In einer Diskussion ehemaliger Adolfiner ging es um die Veränderungen der späten sechziger Jahre.

 Das Podium: (von links) Holk Freytag (ehemaliger Intendant Schlosstheater), Professor Gerhard Vowe (Universität Düsseldorf) und Eckhart Hohmann (ehemaliger Präsident des Statistischen Landesamtes Hessen).

Das Podium: (von links) Holk Freytag (ehemaliger Intendant Schlosstheater), Professor Gerhard Vowe (Universität Düsseldorf) und Eckhart Hohmann (ehemaliger Präsident des Statistischen Landesamtes Hessen).

Foto: Dieker, Klaus (kdi)

Um die „68er“ ging es am Freitag in einem Podiumsgespräch, zu dem der Verein ehemaliger Adolfiner eingeladen hatte. „Es soll keine Nostalgie-Veranstaltung werden“, kündigt Moderator Gerhard Vowe an. Stattdessen geht es um die Veränderungen von 1968 und seitdem, und es wird auch einen Blick in die Zukunft geworfen.

Als Grundlage für das Gespräch schaut das Publikum – etwa 60 Menschen sind gekommen – das erhaltene Fragment des Kurzfilms „In Memoriam“ an, der 1967 in Moers gedreht wurde. Eckart Hohmann, einer der beiden Diskussionsgäste, hat in dem Film mitgespielt: „Ich war derjenige, der die ganzen klugen Sprüche getextet hat.“ Bilder von Musik, Tanz und Straßenszenen sind mit akademisch-revolutionärem Gerede unterlegt. Die Langversion des Films ist verschollen, die Kurzfassung gibt es im Stadtarchiv.

Der zweite Gast ist Holk Freytag, der das Schlosstheater gegründet hat. Er hält die Reflexion des Verhältnisses zu den USA für eine der „lichten Seiten“ von 68 und sagt, die heutige Generation sollte zum Beispiel den Afghanistan-Einsatz hinterfragen. Für Freytag und Hohmann gehören auch Willy Brandt, die Aufarbeitung des Nationalsozialismus und ein veränderter Umgang mit den Mitmenschen zu den Verdiensten der 68er. Freytag fügt hinzu: „Wenn es eine Disziplin gibt, die 68 alles verdankt, ist das das Theater.“’

Aber auch die „dunkle Seite“ von 1968 wird angesprochen. Hohmann erzählt, wie sich der Sozialistische Deutsche Studentenbund aufgelöst und in kleinere Gruppen gespalten hat, die meisten der Überzeugung, sie hätten „die Wahrheit gepachtet“, sagt er. „Ähnlich wie manche jetzt aus einer Minderheitenposition brüllen: Wir sind das Volk.“ Das sei für die Diskussion ganz schlecht.

Der ehemalige Bundesminister Jürgen Schmude sitzt im Publikum; am Ende des Gesprächs, als keine Zuschauerfragen mehr gestellt werden, bittet Vowe ihn um seine Meinung. Schmude erzählt von der Bundestagswahl 1969, als er in den Bundestag gewählt wurde, und sagt, die alte Autoritätenunterwerfung habe es nicht mehr gegeben. „Ich war nicht mehr qua Mandat Respektsperson.“

Und die Veränderung? Hohmann spricht vom Familienrecht, das jetzt endlich den Gleichheitsgrundsatz des Grundgesetzes erfülle. „Der Kontrast könnte größer nicht sein.“ Außerdem seien die Kommunikationsmöglichkeiten heute größer als je zuvor, aber es werde kaum noch miteinander geredet. Und: „‚68 ist nicht mehr im Bewusstsein der jüngeren Generation“, sagt Freytag.

Daran wird dieser Abend kaum etwas geändert haben, denn der größte Teil des Publikums hat 1968 selbst miterlebt. Und auch dem erklärten Ziel des Vorsitzenden des Vereins ehemaliger Adolfiner, Hartmut Hohmann, nämlich junge Leute in den Verein zu bekommen, sind sie nicht näher gekommen. Sowohl er als auch der Schulleiter des Gymnasiums Adolfinum, Hans van Stephoudt, können sich jedoch vorstellen, die „Zeitzeugen“ (so Moderator Vowe) auch in die Schule zu bringen.

Obwohl viele negative gesellschaftliche Entwicklungen angesprochen werden an diesem Abend, sehen die Gesprächspartner optimistisch in die Zukunft. Schmude sagt einfach: „Wir packen das.“

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