Seelsorgerin in Mönchengladbach „Ich bin ganz nah dran am Menschen“

Mönchengladbach · Schwester Tessly war mehr als 30 Jahre in der Krankenpflege im Einsatz. Jetzt hat sie sich zur Seelsorgerin ausbilden lassen. Sie arbeitet in dieser Funktion in gleich zwei Krankenhäusern. Warum sie diesen Weg einschlägt.

Schwester Tessly ist Krankenhausseelsorgerin. Sie arbeitet im Maria Hilf und im Bethesda.

Schwester Tessly ist Krankenhausseelsorgerin. Sie arbeitet im Maria Hilf und im Bethesda.

Foto: Rick, Markus (rick)/Markus Rick (rick)

Ihr bürgerlicher Name ist Teresa Kulamppallithekkethil, ihr Ordensname Schwester Tessly. Die Frau, die aus Kerala, dem Bundesstaat am südwestlichen Zipfel Indiens stammt, widmet sich seit einigen Monaten neuen Aufgaben: An drei Tagen in der Woche arbeitet sie als Krankenhausseelsorgerin im Maria Hilf, an zwei im Bethesda. Die 55-Jährige ist die erste Frau im vierköpfigen Team von Seelsorgern, die in den Kliniken ökumenisch zusammenarbeiten. Dabei sind sie von den Häusern unabhängig, da sie für das Bistum Aachen oder die Evangelische Landeskirche tätig sind.

Begleiten, ermutigen, trösten: Schwester Tessly hat ein offenes Ohr für Patienten, deren Angehörige und auch für Klinikmitarbeiter. „Wir missionieren nicht“, erklärt sie: „Wir klopfen an die Tür eines Stationszimmers, stellen uns vor, fragen den Patienten, ob er betreut werden möchte. Wenn er einverstanden ist, nehme ich einen Stuhl und setze mich neben das Krankenbett.“

Sie mache keine Vorschläge, sondern höre einfach zu und schenke den Menschen Aufmerksamkeit, rede mit ihnen. Das Bedürfnis, jemanden zum Zuhören zu haben, sei bei den Patienten seit Corona stark gestiegen. „Die Menschen bedanken sich, weil ich mir Zeit für sie nehme“, sagt die Schwester. Das ist auch der Grund für ihren Wechsel von der Pflege in die Seelsorge: „Es gibt in der Pflege immer weniger Zeit für die Patienten. Das muss sich ändern“, so ihr Appell.

Es sind viele Themen, die ihre Patienten umtreiben. Die eigene, oftmals niederschmetternde Diagnose. Die Familie, der Partner, Freunde, die man vielleicht zurücklassen muss. Was immer sie bewegt: Gott kommt dabei selten vor. Schwester Tessly hört sich die Sorgen der Patienten an, ihre Ängste, Nöte, Befürchtungen. „Wenn ich zur Stressbewältigung beitragen kann, geht der Himmel auf“, sagt sie. Oft habe sie solche Gespräche als gegenseitig bereichernd empfunden, die wenigsten lehnten eine Betreuung ab. Das Bedürfnis zu reden sei geschlechter- und altersgruppenübergreifend. Ihre Arbeit sei Seelsorge pur: immer nah dran am Menschen.

Die Gespräche unterliegen der Schweigepflicht. Sie werden anonym protokolliert und im Team besprochen, die Aussagen dann gemeinsam gedeutet. Solche Gespräche können zehn Minuten dauern oder auch eine Dreiviertelstunde. Folgebesuche schließen sich auf Patientenwunsch an, teilweise begleiten die Seelsorger die Menschen über Jahre hinweg. Die Gesprächsführung folgt der Therapie von Carl Rogers, ein Psychotherapieverfahren, bei dem die Haltung des Zuhörers von Empathie, Wertschätzung und Authentizität geprägt ist.

Wenn Schwester Tessly Sterbende begleitet, hält sie deren Hand und redet in einfachen Worten mit ihnen: „Es ist wichtig, da zu sein und die Patienten zu berühren. Sprache beruhigt sie weiter. Wenn ich sage ‚Ich bin da‘, können sie loslassen und die Augen schließen.“ Wenn ein Mensch ganz allein sterbe, müsse sie ihn begleiten: „Das fordere ich von mir selbst auch als Ordensschwester. Manchmal muss ich schon Luft holen. Dann gehe ich in die Kapelle, bete, und zünde eine Kerze an.“

Schwester Tessly ist Missionsschwester des Ordens der Unbefleckten Empfängnis Mariens, gegründet 1962 in Kerala. Der Bundesstaat besitzt einen mit knapp 20 Prozent großen Anteil an indischen Christen, im gesamten Indien sind es etwa 2,3 Prozent. Die erste Niederlassung des Ordens in Deutschland erfolgte 1972. Als die Generaloberin des Ordens Schwester Tessly vor 32 Jahren in Kerala fragte, ob sie sich vorstellen könnte, ins deutsche Solingen zu ziehen, um dort für den Orden tätig zu werden, zögerte die damals junge Frau nicht lange. Sie wusste, dass bereits andere Schwestern ihres Ordens dort lebten.

Also wagte sie den Schritt, absolvierte 1990 zunächst ein Praktikum, dann eine dreijährige Ausbildung zur Krankenpflegerin im St. Lukas Krankenhaus in Solingen, wo sie bis 2003 tätig war. Dann wechselte sie zum Mönchengladbacher Maria Hilf. Sie erinnert sich an ihre erste Zeit in Deutschland: „Die Mitschwestern bedeuteten mir am Anfang ein Stück Heimat, wir sprachen Indisch miteinander, kochten gemeinsam indische Gerichte.“ Die deutsche Küche habe sie als laff empfunden.

Mittlerweile reden sie nur noch in Deutsch miteinander: Fünf Schwestern sind es, die in der Klinik an der Viersener Straße arbeiten, Schwester Tessly ist Oberin dieser Gemeinschaft. Auf eines aber verzichten sie nicht – das Kochen und gemeinsame Essen von indischen Currys. Die Gewürze und weitere Zutaten dafür kaufen sie direkt in Indien. Denn alle zwei Jahre dürfen sie in ihre ursprüngliche Heimat fliegen.

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