Mönchengladbach Aus einem Stück geschlagen

Mönchengladbach · Anke Wojtas ist Holzbildhauerin in der dritten Generation. Ihr Großvater gründete die Werkstatt in Rheydt, bei ihrem Vater ging sie in die Lehre. Nach einem Abstecher nach Hamburg, kehrte sie zurück in ihre Heimatstadt.

 Die Holzbildhauerin Anke Wojtas in ihrer Werkstatt in Rheydt: Zu der dicken Dame auf dem Sockel wurde sie bei einem Saunabesuch angeregt. 	 Fotos: Jana Bauch

Die Holzbildhauerin Anke Wojtas in ihrer Werkstatt in Rheydt: Zu der dicken Dame auf dem Sockel wurde sie bei einem Saunabesuch angeregt. Fotos: Jana Bauch

Foto: Bauch, Jana (jaba)

Eine Frau im roten Bikini. Drallig. Mit Badehaube. Neben ihr liegen Tünnes & Schäl. Ein Stück weiter entfernt schiebt sich ein Oktopus ins Bild. Ein Löwe scheint indes das Weite suchen zu wollen. Unbändige Kraft im Sprung. Ganze Dramen spielen sich auf nur wenigen Quadratmetern ab. Wenn man denn so sagen wollte. Aber der Oktopus riecht nicht nach Salz und Meer, der Löwe brüllt nicht durch die Weiten der Savanne, Tünnes & Schäl bleiben stumm. Im Regal stehen Fachbücher, etwa über den Bildhauer Auguste Rodin.

Dagegen riecht es angenehm nach Holz in dem hellen Raum, der sich an das Ladenlokal anschließt. Genauer, es duftet nach Lindenholz. Der Drallen muss nur noch die Kappe geglättet und koloriert werden, die Tentakel vom Oktopus wirken in ihrer Halbfertigkeit etwas leblos, und die Sinnbilder Kölscher Lebensart dienen als Vorlage für Kopien.

Anke Wojtas hat das Ensemble im Griff. Das stimmt so ungefähr. Besser gesagt, sie waren oder kommen noch unter ihr Messer oder ihr Schnitzeisen. Die 47-Jährige bildhauert und schnitzt so lange an den Figuren, bis sie mit dem Ergebnis zufrieden ist. Wobei der Oktopus von einer ihrer Schülerinnen mit dem scharfen Eisen zum Leben erweckt wird. In einem langen und damit geduldvollen Prozess.

Seit 29 Jahren arbeitet die Rheydterin als Bildhauerin: „Und seit 25 Jahren gebe ich Unterricht an der Volkshochschule. Mittlerweile in meinem eigenen Atelier.“ Insgesamt verfügt sie über sieben Hobelbänke. Die braucht sie für täglich stattfindenden Kurse, aber auch, „weil ich mich ausbreiten und an mehreren Stücken gleichzeitig arbeiten kann.“

Anke Wojtas ist Holzbildhauerin in der dritten Generation: „Der Werkstoff ist zu mir gekommen, ich musste ihn nicht suchen.“ Ihre Verbundenheit mit dem Beruf und dem Holz geht so weit, dass sie „gesägtes Holz mit nach Hamburg genommen habe, damit unsere Wohnung dort nach Holz riecht.“ Zwei Jahre haben ihr Mann und sie es in der Hansestadt ausgehalten, dann führte sie der Lebensweg wieder zurück ins Elternhaus.

Anke Wojtas schätzt, dass sie mehr als 100 Werkzeuge für die Bearbeitung des Lindenholzes in ihrem Besitz hat. Scharf geschliffen und penibel sortiert. Dabei auch das eine oder andere Eisen ihres Großvaters, das sie meist unter Verschluss hält. Wenn sie eins nutzt, und nur sie darf damit umgehen, „dann schaut er mir quasi über die Schulter.“ Die alten Werkzeuge seien die besten, „denn sie sind geschmiedet – und wissen von selbst wie sie schnitzen müssen.“ Die Kunsthandwerkerin lächelt bei dem Gedanken.

 In einer Ecke ihrer Werkstatt bewahrt Anke Wojtas religiöse Schnitzerein von ihrem Vater auf.

In einer Ecke ihrer Werkstatt bewahrt Anke Wojtas religiöse Schnitzerein von ihrem Vater auf.

Foto: Bauch, Jana (jaba)

Waren früher Nachtwächter oder der fröhliche Zecher ein beliebtes Motiv für die Kunden, hat sich die Vorliebe für Skulpturen aus Holz gewandelt: „Waren es mal Heiligenfiguren, sind jetzt mehr Figuren gefragt, die dem Käufer, bzw. Betrachter ein Lächeln auf die Lippen zaubert, und den Zeitgeist widerspiegeln. Den letzten Nachtwächter habe ich sicher vor mehr als zehn Jahren geschnitzt.“

Die Holzbildhauerin hat ihre Ausbildung im elterlichen Betrieb gemacht, dazu gehörte auch, „dass ich Stilkunde gelernt habe, und natürlich Anatomie.“ Sie hat „im Lipperland“ die Landesfachschule für Holzbildhauer besucht: „Den Beruf kann man heute in Nordrhein-Westfalen nicht mehr lernen.“ Ein paar Schulen gäbe es noch, in Oberammergau, in der Rhön, in Flensburg. Sie muss lange nachdenken, bis ihr eine Kollegin in Wesel einfällt, „ansonsten wüsste ich niemanden in der Region, der ebenfalls diesen Beruf ausübt.“

Ihre Motive findet Anke Wojtas „im Traum, in Alltagssituationen, oder auch wenn ich durch die Stadt fahre und beim Besuch in der Sauna. Dort habe ich eine schöne, etwas füllige Frau gesehen. Kaum zuhause, habe ich sofort angefangen sie zu modellieren.“ Oder ein Kunde kommt mit einer Idee. So wie der Hotelbetreiber aus Kevelaer: „Der brachte mir ein winziges Bild von einem Löwen und fragte, ob ich den machen kann.“

Konnte sie. Ein Jahr hat sie ungefähr gebraucht: „Zuerst habe ich aus Plastilin ein Modell gemacht, danach eine Figur aus Holz, die wiederum war dann Vorlage für das Original. Das ist 1,80 Meter lang und 1,20 Meter hoch geworden. Vergoldet hat der Kunde ihn selbst.“

Etwa viermal im Jahr beteiligt sich die Holzbildhauerin an Ausstellungen. Dazu reist sie auch schon mal bis an die Müritz. Durchaus mit nachhaltigem Erfolg: „Noch immer bekomme ich aus der Region Anfragen für meine Arbeiten.“ Die überwiegende Zahl ihrer Kunden, übrigens aller Generationen, kommt vom Niederrhein. Und alle zwei Jahre macht sie im Nassauer Stall eine Ausstellung ihrer Werkstatt: „Wir präsentieren im Frühjahr 2020 wieder alles, was im Laufe der zwei Jahre von den KursteilnehmerInnen geschaffen wurde.“

Besonders zu Weihnachten herrscht in ihrem Geschäft in Rheydt geschäftiges Treiben. Um dafür gewappnet zu sein, arbeitet Anke Wojtas schon jetzt an ihrem Sortiment. Dazu zählen unter anderem auch ihre „Spankunstwerke“: kleine geschnitzte Holzfiguren in einem Objektkasten. Dazu zählt auch ein knubbeliger Borussenfan mit Kappe und Schal.

Die Frau im roten Bikini ist übrigens echte Holzbildhauerarbeit: „Sie ist nicht gefräst, sondern aus einem Stück geschlagen. Daher fest mit ihrem Sockel verwachsen. Wie alle meine Figuren.“

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