Mönchengladbach Kriegsfotograf in entseelter Landschaft

Mönchengladbach · Museum Schloss Rheydt setzt die Ausstellungsserie zum Ersten Weltkrieg fort. Zu sehen gibt es Bilder von der Westfront.

 Kleinfeldt hielt am 13. Juni 1916 in einem Dorf an der Somme diesen Granatenvolltreffer auf ein Haus fest.

Kleinfeldt hielt am 13. Juni 1916 in einem Dorf an der Somme diesen Granatenvolltreffer auf ein Haus fest.

Foto: Ilgner

Diese 51 Bilder haben es in sich. Alle sind Schwarz-Weiß-Fotos, "geschossen" mit einer alten Contessa-Nettel-Plattenkamera, aber die oft messerscharfen Konturen der festgehaltenen Eindrücke, die der junge Walter Kleinfeldt (1899-1945) in den Jahren 1915 bis 1918 in Nordfrankreich und Belgien festhielt, rücken Ereignisse vor fast 100 Jahren ganz nah an uns heran. Es sind Dokumente einer Apokalypse, die unter dem Namen "Erster Weltkrieg" die zentrale Katastrophe Europas im 20. Jahrhundert benennt: Auf den Fotos hat der Mann aus Reutlingen den Kriegsalltag des Feldartillerie-Regiments "König Karl" in Schützengräben festgehalten. In Aufnahmen wehrtechnischer Gerätschaften spiegelt sich noch die Technikbegeisterung des Mannes, der sich im Mai 1915, gerade 16 Jahre alt, freiwillig zur Westfront meldete. Da wusste er noch nicht, dass er Beteiligter und Zeitzeuge eines verbissenen Stellungskrieges würde, dem allein an der Front in Flandern und Nordfrankreich eine Million Soldaten zum Opfer fielen.

 Museumschef Dr. Karlheinz Wiegmann in der Foto-Ausstellung zum Ersten Weltkrieg. In den Händen hält er beschichtete Glasplatten für eine Balgenkamera, wie Walter Kleinfeldt sie benutzte.

Museumschef Dr. Karlheinz Wiegmann in der Foto-Ausstellung zum Ersten Weltkrieg. In den Händen hält er beschichtete Glasplatten für eine Balgenkamera, wie Walter Kleinfeldt sie benutzte.

Foto: Ilgner

In der Kabinettausstellung des Museums Schloss Rheydt ist noch ein dritter Themenbereich jener Fotoschau zu sehen, in denen Walter Kleinfeldt Tote, Verletzte und eine total verwüstete Landschaft zeigt. "Durch die jahrelangen Kämpfe waren die Landschaften um die Kriegsgebiete bis zur Ununterscheidbarkeit nivelliert", hat Museumsdirektor Dr. Karlheinz Wiegmann als eine Botschaft der Fotoserie entnommen. Damit ist vielfach eine geografische Zuordnung kaum mehr möglich - der Krieg hatte eben ganze Regionen, Landschaften verwüstet, gleichsam entseelt.

"Erst im Jahr 2010 war Kleinfeldts Sohn bei Sichtung der Geschäftsunterlagen seines 1945 gestorbenen Vaters auf die Sammlung gestoßen. 134 der ursprünglich 149 Fotodokumente waren noch erhalten", weiß Wiegmann. Der Tübinger Medienhistoriker und Fotospezialist Dr. Ulrich Hägele hat aus dem Material eine Wanderausstellung entwickelt, die bereits in Aix-en-Provence und zuletzt in Reutlingen zu sehen war. Eine Version der digitalisierten Kriegsdokumente zeigt ab dem kommenden Sonntag das Rheydter Schlossmuseum. Die Eröffnung ist am 22. Juni, 11.30 Uhr.

Mit Unterstützung des NRW Kultursekretariats führt das "1. Deutsche Stromorchester" am Sonntag zunächst Igor Strawinskys Suite "Geschichte vom Soldaten" auf, danach wird UIrich Hägele in die Exponate einführen. Die Ausstellung ist bis zum 20. Juli zu sehen.

Auch ein Kriegstagebuch und Feldpostbriefe des Fotografen, der nach Rückkehr 1919 in die Heimat tatsächlich den Fotografenberuf ergriff, liegen bereit. "Kleinfeldt hatte für die Aufnahmen Kassettenplatten aus Glas als Negative benutzt, daraus entwickelte er später Diapositive", erläutert Museumspädagoge Dr. Klaus Möhlenkamp. Die Negative allerdings sind verschollen.

(RP)
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