Heimat-Serie Auf den Spuren der Mönchengladbacher Moderne

Mönchengladbach · Thomas Volbach lebt in einem Haus mit besonderem Baustil. Davon gibt es einige in Mönchengladbach. Und sogar einen Verein.

Auf den Spuren der Mönchengladbacher Moderne
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Foto: Raupold, Isabella (ikr)

Es ist ein besonderes Haus. Wie ein riesiges Schiff aus Backsteinen ragt es von der Sittardstraße in Richtung Kaiserstraße. An der schmalen Seite ein abgerundeter Erker, die Geländer lassen Balkon und Terrasse wie eine Reling wirken. Ein kleines Außenfenster ähnelt einem Bullauge. Ein Vorzeigeobjekt eines Architekturstils, der mit Moderne beschrieben wird und viele Ausprägungen hat. Die strenge Sachlichkeit des Bauhauses fällt ebenso darunter wie expressionistische Varianten, Futurismus, Rationalismus oder verspieltere Form der so genannten Heimatschutzarchitektur. Das Haus an der Sittardstraße ist ein gutes Beispiel für Streamline-Moderne.

Die Moderne wird vor allem zeitlich gefasst: Ihre Hochphase beginnt nach Ende des Ersten Weltkriegs und endet mit dem Nationalsozialismus, wobei es auch Überschneidungen gibt. In Mönchengladbach hat die Moderne viele steinerne Spuren hinterlassen, die Webersiedlung in Engelbleck ist ein Beispiel, sie zieht sich aber auch durch Hockstein, Rheydt und viele andere Stadtteile. Typisch in Mönchengladbach ist der Backstein, manchmal kombiniert mit Putz oder Naturstein.

Thomas Volbach und sein Lebensgefährte Marius Müller haben das 1937 erbaute Haus im Gründerzeitviertel vor mehr als zwei Jahren gekauft und im Inneren so detailgetreu wie möglich saniert. Bauhaus-Türgriffe fanden sie im Internet, architektonische Details haben sie von den Freimeistern dem Orginal so nahe wie möglich herrichten lassen. Die „Villa Magnolia“, wie sie ihr Haus nach dem großen Baum im Garten genannt haben, ist wie eine Zeitreise in die Zeit. Inzwischen steht sie unter Denkmalschutz, ebenso die alte Magnolie, die dem Haus den Namen gab.

Die Recherche für die originalgetreue Sanierung des eigenen Hauses war für Volbach eine Initialzündung, sich intensiver mit der Moderne zu beschäftigen. Vorgeprägt war der Grafiker ohnehin schon: „Im Studium hatte ich schon einen sehr starken Bauhaus-Schwerpunkt.“ Eine der Dozentinnen kam aus Dessau, dem Bauhaus-Zentrum schlechthin. Es ist nicht einfach, über die architektonische Vergangenheit einzelner Gebäude in Mönchengladbach etwas herauszubekommen. „Die Aktenkammer ist einmal abgebrannt“, sagt Volbach. Aber wie ein Puzzle fügt sich immer mehr zusammen.

Sogar den Verein „Mönchengladbacher Moderne“ hat Volbach mit einigen Gleichgesinnten gegründet. Anlass der Vereinsgründung war die Rettung des Gärtnerhauses am Mädchenwohnheim in Rheydt im Maria-Lenssen-Garten. Das sollte im Zuge einer Umgestaltung des Parks abgerissen werden. Doch die Initiative um Volbach hat den Verantwortlichen in einer Präsentation dargelegt, dass es starke Parallelen zum Bauhaus in Dessau aufweist.

Der Verein, dessen Vorsitzender Volbach ist, hat noch nicht viele Mitglieder, aber die Ambition, auf einem Stadtplan nach und nach so viele Gebäude der Mönchengladbacher Moderne wie möglich aufzulisten.

Und Volbach braucht nicht weit zu gehen, um sich Inspirationen zu holen. Auch wenn sein Viertel die Gründerzeit im Namen hat und diese opulenten Gebäude als erstes damit verbunden werden, so ist die Moderne in den Straßen rund um den Schillerplatz ebenfalls stark vertreten. Direkt gegenüber der „Villa Magnolia“ steht an der Kaiserstraße ein unscheinbares helles Haus. „Das hat sogar mal einen Preis bekommen, weil es so konsequent reduziert gestaltet ist“, sagt Volbach. Schräg gegenüber ein Gegenbeispiel, das aber auch der Moderne zugerechnet wird. Das Gebäude, das der Gerling-Konzern für Arbeiter errichten ließ, zieht sich rund um die Ecke. Die Fassade besteht aus Back- und Naturstein, die Backsteine wechseln in der Größe: ein Zeichen für den so genannten Backstein-Expressionismus.

Gleich um die Ecke an der Schillerstraße sind mehrere Gebäude der Moderne zuzuordnen. Das Haus Nummer 63, in dem einst die jüdische Textilfabrikanten-Familie Vogel gelebt hatte, hat eine wunderbar erhaltene Tür aus der Zeit. Gegenüber zeigt ein Ensemble aus drei Häusern wie groß die Fassaden-Vielfalt sein kann. Kein Moderne-Haus gleicht dem anderen. „Das sind alles Architektenhäuser“, sagt Volbach. Anders als die üppigen Gründerzeithäuser. Hier expressionistisch Türgitter, dort Fensterläden oder eine ins Haus integrierte Garage, „ein Zeichen, dass die Leute Geld hatten“. An der Regentenstraße überrascht ein größerer, gelb verputzter Komplex mit einem Türmchen auf der Ecke. Auch das gehöre zur Moderne, sagt Volbach. Weitere Varianten sind an der Hohenzollernstraße zu entdecken. Einige Gebäude erinnern an die Baushaus-Architektur in Tel Aviv, andere an Jagd-Häuser, manche haben starke Art-Deco-Elemente. Erkennungszeichen sind die horizontale Betonung in der Fassade, aber auch vertikale Treppenhausfenster, oft aus Buntglas. Für Volbach steht fest: „Dieser Baustil ist Teil der Stadtgeschichte.“

Info Der Verein ist im Internet unter www.moenchengladbacher-moderne.de zu finden.

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