Die Streif erst hoch, dann wieder runter Meerbuscher Extremsportler auf der Streif

Der Streif in Kitzbühel gilt als die schwierigste Abfahrtsstrecke der Welt. Philip Mes ist sie zuerst hinunter gefahren und dann wieder rauf gelaufen.

 Beim „Vertical Up“ fahren die Sportler die Streif nicht hinunter. Sie erklimmen die vereiste Strecke aufwärts mit Tourenski, Steigeisen oder Spikes.

Beim „Vertical Up“ fahren die Sportler die Streif nicht hinunter. Sie erklimmen die vereiste Strecke aufwärts mit Tourenski, Steigeisen oder Spikes.

Foto: Michael Werlberger

(ahar) Personal Trainer und Extremsportler Philip Mes aus Meerbusch hat schon so einige Rennen gemeistert. Als Extremläufer rennt er teilweise 20 bis 30 Stunden am Stück, hat schon den Mont Blanc umrundet und  ist durch die Verdonschlucht gelaufen, den größten Canyon Europas. Dabei musste er teilweise Temperaturen um die 40 Grad aushalten. Jetzt war Mes bei eisig niedrigen Temperaturen in Kitzbühel unterwegs. Zunächst fuhr er die Streif, die als weltweit schwierigste Abfahrtsstrecke gilt, mit Skiern hinunter. Anschließend galt es, die die Ski-Weltcup-Strecke beim „Vertical Up“-Rennen so schnell wie möglich zu Fuß wieder hoch zu laufen.

Das Abfahrtshäuschen der Streif, an dem Mes am Mittag auf Skiern steht, wird am Abend nach 3,3 erklommenen Kilometern und 860 Höhenmeter wieder sein Ziel sein. Schon bei seiner Abfahrt werden ihm die Tücken dieser Strecke deutlich: Hüfthohe Buckel und blankes Eis. Die Ski des Meerbuschers finden, wie er nachher erzählt, kaum Halt und er versucht, nicht in die berüchtigten Fangnetze zu fliegen. „Den Steilhang fährt man oder fällt man“, sagt er. „Letzteres ist keine gute Option.“ Plötzlicher auftretender Nebel erschwert ihm zusätzlich die Sicht. „Hier herrscht überall Genick brechender Buckelalarm“, sagt der Sportler über die Piste. Doch Mes kommt unbeschadet nach einer, wie er sagt, „astreinen Buckelpisten-Streif“ im Ziel an.

Ein paar Stunden später, als es schon dunkel ist, steht der Extremsportler in kurzer Hose am unteren Ende der Streif, dem Startpunkt des Vertical Up. Ausgerüstet mit Spikes, Stöcken, Helm und Stirnlampe, geht es die zuvor gefahrene Abfahrt hinauf. Als der Startschuss fällt, sprintet Mes in die Dunkelheit. Bis zur Traverse muss er so viele Plätze wie möglich gut machen, erklärt er anschließend. „Hier ist es entscheidend, sich von der Masse zu lösen.“ Jeder der vor ihm läuft, könnte ihn auch mitreißen. „Wer hier fällt, donnert normalerweise wie ein Bob ins Tal“.

Dennoch wird er von einem Mitstreiter, der durch die Menge rutscht, von den Beinen geholt, und er gleitet die vereiste Piste ein Stück weit hinunter. Doch der Extremsportler hat Glück gehabt, ihm passiert nichts, weil er von einem Buckel ausgebremst wird. Er richtet sich auf und tritt wieder seinen Weg nach oben an. An der Seidelalm nimmt er einen warmen Tee entgegen, bevor es über die Buckel am Seidelalmsprung und der Alten Schneise geht.

Kurz vor dem Steilhang trifft Mes auf Michael Werlberger, Kitzbühler und Fotograf des Vertical Up, auf Skiern, und „würde am liebsten mit ihm tauschen.“ Denn am Steilhang offenbare die Streif ihr wahres Gesicht. „Steil, hart und unerbittlich. Egal, ob beim Abfahrtsrennen oder beim Vertical Up.“ An Laufen sei gar nicht zu denken. „Kriechen trifft es eher“, sagt der Meerbuscher.

Der Sportler erreicht die sogenannte Mausefalle und quält sich über spiegelglattes Gefälle, mit 85 Prozent Steigung. „In Laufschuhen habe ich noch mehr Respekt vor der Strecke als davor auf Skiern. Auch wenn ich mich durchaus gefragt habe, was von beidem bekloppter ist“, sagt der Meerbuscher.

Kurz vor dem Ziel werden Mes und die anderen Sportler von einem Moderator und hunderten Zuschauauf den letzten Metern bis ins Ziel angefeuert. „Das motivierte mich noch einmal, alles zu geben und meine letzten Kräfte zu mobilisieren.“ Nach 50 Minuten lief der Meerbuscher über die Ziellinie des Starthäuschens. Sein Fazit, zur weltweit anspruchsvollsten Strecke: „Eine Hammer-Piste, egal, ob rauf oder runter, die Streif erfordert Willen, Ausdauer, Kraft, Technik und ganz viel Mut.“

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