Leverkusen Was auf der Zunge liegt, muss raus

Leverkusen · Interview mit dem Büttenredner Oliver Materlik. "Oli der Köbes" tritt während der Session etwa 60 Mal auf, teilweise absolviert er fünf Auftritte pro Tag.

 "Oli der Köbes" alias Oliver Materlik tritt während der Session etwa 60 Mal auf, teilweise absolviert er fünf Auftritte pro Tag.

"Oli der Köbes" alias Oliver Materlik tritt während der Session etwa 60 Mal auf, teilweise absolviert er fünf Auftritte pro Tag.

Foto: Materlik

Interview mit dem Büttenredner Oliver Materlik. "Oli der Köbes" tritt während der Session etwa 60 Mal auf, teilweise absolviert er fünf Auftritte pro Tag.

Herr Materlik, wie entstehen Ihre Büttenreden?

Materlik Sie entstehen aus Aktuellem, Selbsterlebtem und den neuesten Witzen. Eine Büttenrede hat ein völlig anderes Timing und anderen Rhythmus als eine Comedy-Veranstaltung, etwa im "Quatsch Comedy Club". Man sieht aber immer mehr Comedians im Karneval. Die Reden sind gespickt mit Witzen, besitzen aber auch aktuelle Bezüge wie im Kabarett. Das ist etwas getunt, denn im Karneval ist es oft laut, und man muss eine gewisse Schlagzahl haben, damit das Publikum weiter dranbleibt.

Wo bekommen Sie Ihre Witze her?

Materlik Naja, wenn man jeden Mittwoch mit seinen Wanderfreunden Stammtisch hat, erübrigt sich die Frage. Man muss immer wieder etwas aufschnappen. Wenn man aus der Comedy- und Kabarett-Ecke kommt, rettet man etwas aus seinem normalen Programm in die Büttenreden und bearbeitet das noch etwas.

Haben Sie immer ein Büchlein dabei, in dem Sie Witze und Anregungen aufschreiben?

Materlik Habe ich auch, aber das iPhone ist eine gute Alternative. Da kann man einfach draufsprechen.

Wie lange dauert es, bis Sie eine Büttenrede fertig haben?

Materlik Eine Rede ist nie fertig. Man fängt damit irgendwann an und merkt, was technisch funktioniert und was nicht. Die Christian-Wulff-Geschichte kann man noch zwei Wochen spielen, je nachdem, wie es weitergeht. Aber jetzt am Wochenende wird wahrscheinlich viel Kreuzfahrt zu hören sein. Und Jopi Heesters ist noch dran. Die Reden werden auch geändert, je nachdem, wer im Publikum sitzt und ob es eine Damen- oder Herrensitzung ist.

Sie gehen also auf das Publikum ein und improvisieren?

Materlik Ja, die Struktur ist da, aber man kann an verschiedenen Ecken auch mal abbiegen. Und wenn sie gar nicht zuhören, was auch mal passieren kann, dann gibt es einen Song.

Das ist wahrscheinlich der Fall, wenn es schon sehr spät ist...

Materlik Ja, genau. Das ist alles schon passiert. Jeder ist schon mal mittendrin von der Bühne gegangen und hat zugegeben: Da bin ich heute der falsche Mann am falschen Ort.

Durch einen Song bekommt man die Aufmerksamkeit wieder?

Materlik Ja, ein Song bedeutet aufstehen und klatschen. Und bei den Pointen spielt die Band einen Tusch.

Wie würden Sie Ihren Humor bezeichnen?

Materlik Ich bin ein Freund von schwarzem Humor. Was auf der Zunge liegt, muss auch raus.

Was zündet denn Ihrer Erfahrung nach am besten?

Materlik Aktualität schlägt Pointe, heißt es. Es gibt aber auch Geschichten, die in einer Session herumgehen. Die haben dann auch andere Kollegen auf dem Zettel. Man kann das Rad schließlich nicht immer neu erfinden. Wenn man weiß, der andere war vor einem dran, bringt man die Geschichte nicht. Aber jeder Kollege ist schon mal in eine Doublette hineingelaufen. Dann wird es ganz ruhig im Publikum. Dann frage ich: Ist der schon gelaufen? Jaaa, kommt dann von den Zuschauern. Das ist jedem schon passiert.

Was ist mit Zoten im Programm? Braucht man die?

Materlik Das ist eine Frage der Definition. Ist das ein Kalauer? Oder etwas Schlüpfriges? In der Damen- und in der Herrensitzung sind Zoten gewünscht und müssen dabei sein. Je deftiger, desto besser. Bei einer Gala- oder Kostümsitzung ist sowas nicht gewünscht. Auf der anderen Seite lacht jeder Mal über einen Kalauer oder einen schlüpfrigen Witz. Es kommt auf die Uhrzeit und das Publikum an. Man guckt: Was habe ich denn jetzt noch? Und könnte der hier funktionieren? Die Leute zahlen viel Geld und wollen fünf Stunden unterhalten werden. Das muss man erst mal hinbekommen. Wenn man der Letzte ist und man macht keine Musik — denn mit Musik kriegt man sie immer — dann muss man eine Rede haben, die witzig und schmissig ist, dass man die Zuschauer damit noch erreicht.

Wie viele Auftritte absolvieren Sie in einer Session?

Materlik Etwa 60. Bis zu fünf pro Tag.

Sind Sie froh, wenn es am Aschermittwoch vorbei ist?

Materlik Ganz ehrlich: Ja. Dann kann ich Karneval nicht mehr sehen. Wenn einer zu mir am Rosenmontag sagt: Willst du mit auf den Zug, dann sage ich, nee, bei allem Respekt. Ich kann gut differenzieren: Das eine ist tatsächlich Arbeit, das andere ist Freizeit.

Marion Meyer führte das Interview.

(RP)
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