Langenfeld: Mein erstes Mal Spinnen ist schwieriger als gedacht

Langenfeld/Leichlingen · Serie: Mein erstes Mal (1): In Leichlingen und in der evangelischen Gemeinde Langenfeld lehrt Sabine Muth den Umgang mit der Spindel.

 Mein erstes Mal: Isabel Klaas versucht sich im Spinnen. Sabine Muth (li) zeigt wie es geht.

Mein erstes Mal: Isabel Klaas versucht sich im Spinnen. Sabine Muth (li) zeigt wie es geht.

Foto: Matzerath, Ralph (rm-)

Ich glaube, ich spinne. Oder eher: Noch spinne ich nicht. Ich versuche es erst. Und mein erstes Mal am 30 Jahre alten Lern- Spinnrad der Leichlingerin Sabine Muth ist nicht gerade eine Glanzleistung. Von der viel gelobten Kontemplation ist da noch wenig zu merken: Der Faden reißt, hat dicke Knubbel, oder das Spinnrad dreht sich gegen meinen Willen in die falsche Richtung und wickelt alles wieder ab. Ich habe Stress. Also: So einfach wie es aussieht, ist es nicht, den Faden zu spinnen. Und sagen Sie bloß nicht, Wolle spinnen! Das ist ein ähnliches Sakrileg, als wenn man Ballonfahrern sagt, man wolle mal „mitfliegen“.

 Nach einer Stunde mit der Lehrmeisterin kann man das Ergebnis zumindest „Designerwolle“ nennen – mal dick, mal dünn, aber am Stück und zumindest fadenähnlich. „Designerwolle nennen wir das Resultat der ersten Versuche“, sagt die gelernte Handweberin schmunzelnd. Wenn man’s denn richtig kann, soll es ein entspannendes Vergnügen sein, bei dem man sich unterhält, Hörbücher hört und sogar fernsieht.

Sogar der Ehemann von Sabine Muth hat seine Leidenschaft für die Spindel entdeckt. „Wir nehmen einmal im Monat gemeinsam am Spinntreff in Solingen teil“, sagt sie. Das sei sehr kommunikativ und kreativ. Überhaupt aktiviere Spinnen beide Gehirnhälften, man müsse Hände und Füße koordinieren und  dabei immer den Faden im Blick haben.

Aber alles der Reihe nach. Erst einmal muss man das gut gewaschene Rohmaterial vom Lamm, von der Seidenraupe oder vom Baumwollstrauch kadieren, das heißt: der Faser eine Richtung geben. Das macht man mit zwei größeren Drahtbürsten, die man gegen einander abstreift. So entsteht das so genannte Vlies, das die Voraussetzung fürs Spinnen ist. Bearbeitet man kadiertes Rohmaterial noch einmal mit besonderen Kämmen und sortiert somit kurze Fasern aus, erhält man so genannte langfaserige Kammgarn-Wolle, die sehr edel ist und oft zu hochwertigen Anzügen oder Mänteln verarbeitet wird.

Start meiner Übungsstunde ist eine Handkreuzspindel, ein flaches Holzkreuz mit Stiel, das sich in der Luft in eine Richtung dreht, sofern ich ihm den richtigen Drall gebe. So dreht sich der dünnen Vliesstreifen unter meinen Händen zum reißfesten Faden. Schon das verlangt Fingerspitzengefühl und Koordination. Zum Glück kann man gerissenes Material jederzeit wieder ansetzen. „Nach drei Stunden kann das jeder im Schlaf“, sagt Muth. Spindeln gibt es übrigens für feineres und gröberes Roh-Material.

Danach darf ich an das Anfängerspinnrad, das durchaus der schönen Müllerstochter im Rumpelstilzchen gehören könnte, so historisch wirkt es. „Je schneller und gleichmäßiger der Fuß das Pedal bewegt, desto schneller wird das Vlies zur Wolle“, sagt Sabine Muth. Wer das eine Pedal des Lehrspinnrads beherrscht und dabei auch noch den Faden richtig nachgeben kann, darf umsteigen auf die modernere Turbo-Variante mit zwei Pedalen. Das lasse ich mal lieber, bevor sich mein Lern-Spinnrad nicht ausschließlich in die von mir gewünscht Richtung dreht, sondern immer noch ein vergnügtes Eigenleben führt.

Spinnen kann man übrigens Vieles: Sisal, Jute, Kokos, Kamel, Alpaka, Angora, Mohair, Yak oder Flachs, das gesponnen zu Leinen wird. Rohmaterial bekommt man gefärbt und ungefärbt im Internet. „Spinnen ist in Mode“, sagt Muth, „viele kreieren sich so ihre eigene Wolle, mischen Fasern und färben sie oft auch selbst.“ Und so wird der Strickpullover absolut einmalig.

Spinnen macht auch mir Spaß, besonders, wenn das Vlies noch voller natürlichem Lanolin ist und die Hände nachher wunderbar weich sind. Man sieht, wie durch die eignen Hände fluffige Schur zum Wollfaden wird, aus dem man Stoffe weben oder Pullover stricken kann. Sabine Muth ist eine schlechte Strickerin, behauptet sie. Aber sie webt  gern Tischläufer, Sets und wunderschöne Geschirrhandtücher, Schals und vieles mehr, das sie auch verkauft.

 Wer Interesse an einem Kursus hat, wendet sich an Sabine Muth. Ihre E-Mail-Adresse lautet  ms.muth@ish.de

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