Langenfeld/Hilden Ebay-Betrüger bleibt auf freiem Fuß

Langenfeld · Trotz Vorstrafe: Ein spielsüchtiger 35-Jähriger kommt vorm Amtsgericht Langenfeld mit Bewährung davon.

Ja, lässt die Anwältin des Angeklagten zu Beginn der Verhandlung den Vorsitzenden Richter Martin Bösen, die beiden Schöffen und die Staatsanwältin wissen, ihr Mandant bekenne sich in vollem Umfang schuldig und wolle sich auch später äußern, nur jetzt gerade sei er dazu noch nicht in der Lage. Und so nimmt seine rechtliche Vertreterin erst einmal Stellung zu den Betrugsvorwürfen in insgesamt 16 Fällen, die die Staatsanwältin zuvor verlesen hatte. Demnach soll der Anlagenfahrer zwischen April und Oktober 2018 bei Ebay Gegenstände  zum Schein angeboten und verkauft haben: Graphikkarten, Mobiltelefone, Turnschuhe, Spielekonsolen, Softwarepakete, Wert: jeweils zwischen 80 und 500 Euro. Das Geld der bundesweiten Käufer habe er erhalten, auf die Ware warteten diese jedoch vergeblich, erstatteten dann Anzeigen bei den ansässigen Polizeibehörden.

Mit gesenktem Kopf folgt der Angeklagte den Erklärungen seiner Anwältin, die ausführlich und glaubhaft den Werdegang ihres Mandanten beschreibt. Seit Jahren sei er schwer spielsüchtig. Obwohl der Vater zweier Kinder (die bei ihrer Mutter leben) ein gutes Einkommen habe (laut eigenen Angaben rund 3500 Euro netto), reiche das Geld nicht aus. Er habe hohe  Schulden bei Freunden, Familie und Bekannten und sei schließlich auf die Idee mit dem gewerblichen Internetbetrug gekommen. Zweimal  ist er bereits einschlägig vorbestraft, bislang immer zur Bewährung. Dass der junge Mann zumindest in den letzten zwei  Jahren verzweifelt gegen diese Sucht ankämpft, zeigt sein eigenes Verhalten. Mehrere Monate wird er 2017 auf eigenen Wunsch in einer Fachklinik behandelt. „Er sagt, es sei das erste Mal in seinem Leben gewesen, dass er sich gut gefühlt hat, glücklich war“, zitiert die Verteidigerin den Angeklagten. Er nickt zu den Worten. Dann aber, nach kurzer Zeit, der Rückfall. Der 35-Jährige verfällt in schwerste Depressionen, hat Suizidgedanken, sieht keinen Ausweg mehr, lässt sich im März 2018 erneut akut einweisen, er  muss lange auf einen stationären Therapieplatz warten, in diese Zeit fallen die vorgeworfenen Taten. Was den vorsitzenden Richter wundert ist, dass der Angeklagte stets für die Überweisungen der potentiellen Käufer seinen tatsächlichen Namen und seine Kontonummer angeben hat. „Das muss Ihnen doch klar gewesen sein, dass Sie auffliegen“, wendet Bösen das Wort an ihn. „Ich wollte eigentlich gar nicht das Geld einsacken“, erklärt der Beschuldigte, „ich wollte das Geld eigentlich nur bei den Sportwetten einsetzen und dachte, dass ich es dann direkt zurücküberweise, denn als Süchtiger denkt man ja, dass man gewinnt, obwohl letztlich immer die Bank gewinnt.“

Seit Ende seiner zweiten Langzeittherapie  wird der Angeklagte ambulant betreut, ist seit zwei Monaten spielfrei,  hat eine Bewährungshelferin, die vor Gericht ihren Eindruck schildert. „Er ist immer offen und ehrlich, er arbeitet sehr zuverlässig mit, seine Sucht ist eine Krankheit, die bei Unterbringung im Gefängnis ganz sicher nicht geheilt wird.“  Und auch die klaren Schilderungen der schwangeren Lebensgefährtin wirken sich positiv auf das Gesamtbild aus. Seit zwei Jahren  ist sie an seiner Seite, hilft bei der Abtragung der Schulden, einem Teil der bei Ebay Geschädigten haben Beide bereits Geld zurückerstattet. Letztlich fordert die eher kritische Staatsanwältin eine zweijährige Haftstrafe auf Bewährung, das Gericht folgt genau diesem Strafmaß. „Sie haben eine gute Sozialprognose, Sie hatten eine wunderbar vorbereitete Anwältin und eine Lebensgefährtin, die hinter Ihnen steht. Aber es muss Ihnen bewusst sein: passiert in den kommenden vier Jahren irgendetwas, dann war es das mit der Bewährung.“

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