Architektur in Krefeld Unbekannte Pläne für Villa Esters entdeckt

Krefeld · Sensationeller Zufallsfund: In einem unbeschrifteten Karton entdeckte Stadtarchivar Christoph Moß die Dokumente.

 Christoph Moß vom Stadtarchiv Krefeld und Stefanie van de Kerkhof stellen die bislang unbekannten Pläne Mies van der Rohes für das Haus Esters vor.

Christoph Moß vom Stadtarchiv Krefeld und Stefanie van de Kerkhof stellen die bislang unbekannten Pläne Mies van der Rohes für das Haus Esters vor.

Foto: Stadt Krefeld

(ped) Nicht alle Pläne, die der Bauhaus-Architekt Ludwig Mies van der Rohe für Krefeld entworfen hat, sind verwirklicht worden. Welche Juwelen in Schubladen gelandet sind, weiß man spätestens seit der Verein MiK (Mies in Krefeld) die nie realisierten Pläne für einen Golfclub auf dem Egelsberg als Modell umgesetzt hatte. Nun gibt es eine neue Sensation: In einem nicht beschrifteten Karton im Stadtarchiv schlummerten bislang unbekannte Pläne von Haus Esters aus dem Jahr 1927/28. Christoph Moß, stellvertretender Leiter des Stadtarchivs, hat die Unterlagen bei einer routinemäßigen Sichtung noch nicht erfassten Archivgutes zufällig gefunden.

„Das sind ganz spannende Dokumente“, sagt Moß. Die Grund- und Aufrisse, insgesamt 50 Blätter, zeigen die Pläne für die Bauhaus-Villa im Juli und August 1927, die sich wesentlich vom heutigen Gebäude unterscheiden. Die Front ist anders, und unter anderem war auch eine weitere Etage vorgesehen.

 Auf diesem Bauplan ist zu erkennen, dass ein zweites Obergeschoss vorgesehen war.

Auf diesem Bauplan ist zu erkennen, dass ein zweites Obergeschoss vorgesehen war.

Foto: Stadt Krefeld

Insgesamt liegen jetzt drei nicht realisierte Varianten für das Haus Esters vor, von denen eine jedoch nicht datiert ist. „Das ist neues und reiches Material für die Bauhaus-Forschung“, sagt Privatdozentin Stefanie van de Kerkhof. Mit ihrem Forschungsprojekt „Moderne Zeiten im Westen? Industriekultur und Konsumgeschichte Krefelds 1918-1933“ in Zusammenarbeit mit dem Stadtarchiv beschäftigt sie sich auch mit den beiden Verseidag-Direktoren Josef Esters und Hermann Lange. Sie hatten Mies van der Rohe, dessen Nachlass im New Yorker Museum of Modern Art (Moma) aufbewahrt wird, als Architekt der Moderne mit dem Bau des Bürogebäudes und ihrer Wohnhäuser beauftragt. „Wir sind jetzt eine kleine Dependance vom Moma geworden“, sagt van de Kerkhof. Denn nach derzeitigem Wissensstand existierten die in Krefeld gefundenen Pläne eben nur in der Seidenstadt. „Dieser Zufallsfund wird die Forschung noch befeuern“, meint die Wirtschaftshistorikerin.

Zur Historie: Die Unternehmer Esters und Lange erwarben die Grundstücke an der Wilhelmshofallee bereits zu Beginn der 1920er-Jahre. Im Bauantrag, der sich unter den neu entdeckten Dokumenten befindet, ist zu erkennen, dass die Wilhelmshofallee ein Neubaugebiet war, das damals weit vor der Stadt lag. Das mag erklären, warum in den Plänen „Landhaus Esters“ vermerkt worden ist.

 Die Aufteilung der Räume, wie der Avantgarde-Architekt Ludwig Mies van der Rohe sie plante.

Die Aufteilung der Räume, wie der Avantgarde-Architekt Ludwig Mies van der Rohe sie plante.

Foto: Stadt Krefeld

Die konkreten Planungen mit Mies begannen 1927. Aus der Forschung sei bekannt, dass es zwischen dem Architekten und den Auftraggebern hinsichtlich der Gebäude immer wieder zu Diskussionen kam. „Den Plänen kann man es nun auch entnehmen, dass sich die Bauten entwickelt haben“, so van de Kerkhof. Während im Juli 1927 beispielsweise noch ein zweites Obergeschoss auf den Auf- und Grundrissen zu sehen ist, fehlt diese Etage auf dem August-Plan schon wieder. Ebenso hat sich die Straßenfront geändert: Im Juli ist sie noch ohne Vorsprung, im August existiert einer. Die Ursache für diese kurzfristigen Änderungen ist noch offen. Es kommen sowohl ästhetische und angesichts der einsetzenden Weltwirtschaftskrise auch finanzielle Belange in Betracht. Im Oktober 1927 begannen jedenfalls die Bauarbeiten.

Die nun entdeckten Unterlagen kamen mit dem Erwerb des Hauses Esters 1977 in städtisches Eigentum. Der Karton mit den Villen-Plänen zählt zu einem Bestand des Fachbereichs Liegenschaften, den das Archiv vor einiger Zeit für die Erfassung übernommen hat. Weil das Bauaktenarchiv aus den 1920er-Jahren während des Zweiten Weltkriegs fast völlig zerstört wurde, gab es wohl in den vergangenen Jahren keine konkreten Anfragen, ob derartige Unterlagen aus dieser Zeit überhaupt noch existieren. Umso wertvoller ist nun diese historische Quelle.

Die wieder aufgetauchten Dokumente sollen zeitnah auch in digitalisierter Form für die Forschung zur Verfügung stehen. Zurzeit sind sie im Stadtarchiv ausgestellt.

(ped)
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