Krefeld Starke Kundgebung gegen Judenhass

Krefeld · Viele hundert Menschen haben am Mittwochabend an der Kundgebung gegen Gewalt und Judenhass teilgenommen. Die Demonstration war von viel Polizei geschützt. Es gab bewegende Ansprachen und bewegenden Gesang.

 Der Platz am Mahnmal für die alte, am 9. November 1938 niedergebrannte Synagoge war dicht gefüllt mit Menschen. Hunderte waren gekommen; der Anschlag von Halle hat die Menschen offensichtlich aufgewühlt.

Der Platz am Mahnmal für die alte, am 9. November 1938 niedergebrannte Synagoge war dicht gefüllt mit Menschen. Hunderte waren gekommen; der Anschlag von Halle hat die Menschen offensichtlich aufgewühlt.

Foto: Lammertz, Thomas (lamm)

Mit einer bewegenden Kundgebung haben am Mittwoch Abend einige hundert Menschen am Mahnmal für Krefelds alte Synagoge gegen Antisemitismus und Gewalt und für Frieden, Demokratie und ökumenisches Miteinander aller Menschen demonstriert. Anlass war der Anschlag auf die Synagoge in Halle, bei dem ein rechtsextremistischer Attentäter zwei Menschen ermordet hat. Zu den bewegenden, den Abend bezeichnenden Momenten gehörte es, dass der evangelisch-freikirchliche Christ Armin Rether das hebräische Gebetslied „Osseh Schalom“ sang, in dem um Frieden auf Erden gebeten wird. Dass hier ein Christ ein jüdisches Gebet stimmlich beeindruckend vortrug, war ein Zeichen ökumenischer Verbundenheit aller Religionen wie überhaupt aller Menschen.

Demonstrationszug über den Ostwall zur neuen Synagoge, wo eine stille Mahnwache abgehalten wurde.

Demonstrationszug über den Ostwall zur neuen Synagoge, wo eine stille Mahnwache abgehalten wurde.

Foto: Jens Voss

Die Kundgebung war deutlich besser besucht als die alljährlichen Gedenkveranstaltungen zum 9. November. Ein Teilnehmer sagte, er habe seit seiner 68er-Studentenzeit an keiner Kundgebung mehr teilgenommen, doch nach Halle habe er das Gefühl gehabt, kommen zu müssen. Bürgermeisterin Gisela Klaer (SPD) benannte in ihrem Grußwort ihre Fassungslosigkeit über den Anschlag in Halle: „Dass so etwas in Deutschland wieder passiert, macht mich sprachlos, traurig und wütend.“ Sie wünschte sich, dass die Kundgebung zu einer „machtvollen Demonstration des Friedens, der Liebe und der Mitmenschlichkeit“ werde. Der AfD im Bundestag warf sie vor, die Grundwerte der Demokratie nicht zu teilen. „Nicht jede demokratische Wahl führt zu demokratischen Parteien“, sagte sie. In Deutschland gebe es keinen Millimeter Platz für Antisemitismus und Menschenfeindlichkeit; „Gleichgültigkeit“, mahnte sie, „ist der Anfang, das Unrecht zuzulassen.“

Der evangelisch-freikirchliche Christ Armin Rether sang das jüdische Gebetslied Osseh Schalom.

Der evangelisch-freikirchliche Christ Armin Rether sang das jüdische Gebetslied Osseh Schalom.

Foto: Jens Voss

Die AfD wird die Kritik auch persönlich gehört haben. Der Krefelder Kreisverband erklärte im Vorfeld der Demonstration, er begrüße die Mahnwache einer breiten gesellschaftlichen Allianz gegen Antisemitismus in Krefeld. Der Anschlag in Halle habe auch bei der Krefelder AfD Entsetzen ausgelöst. „Wenn Juden heute wieder Angst haben müssen, in der Öffentlichkeit die Kippa zu tragen und Synagogen, anders als andere Religionsgemeinschaften, massiv vor Anschlägen geschützt werden müssen, dann stimmt etwas nicht in Deutschland. Antisemitismus darf in Deutschland nie wieder Raum bekommen.“

Wie Klaer wurde auch Polizeipräsident Rainer Furth in seinem Grußwort mehrfach von Applaus unterbrochen. In einem Nebensatz wurde deutlich, wie ernst die Polizei den Schutz dieser Kundgebung und auch eine potenzielle Gefährdungslage nahm: Es seien viele Polizisten in Uniform und in Zivil zugegen, bemerkte Furth. Polizisten hätten den Schutz der Verfassung geschworen, sagte er und prangerte Hassideologen jeglicher Art als Feinde des Gemeinwesens an. Er beklagte, dass auch junge Leute in Rapmusik solche Inhalte verbreiteten. Furth erinnert an den Krefelder Polizeipräsidenten Wilhelm Elfes, der tapfer den Gesetzesbrüchen der Nazis widerstand und die Weimarer Verfassung verteidigte, bis er 1933 nach der Machtergreifung Hitlers des Amtes enthoben wurde. „Wir stehen an der Seite der Menschen, die unseren Schutz brauchen . Wir stehen Ihnen zur Seite zu Ihrem Schutz, wenn Sie Hilfe brauche“, sagte er unter starkem Applaus.

Ein starkes ökumenisches Zeichen setzte der evangelische Pfarrer Manfred Bautz. Er erinnert an seinen Lehrer Karl Barth, der gesagt habe, Ökumene sei die Welt, soweit sie von Menschen bewohnt sei. Dann trug der Protestant den berühmten Text des katholischen Bischofs Klaus Hemmerle vor, in dem der die Verbrechen auch von Christen an den Juden beklagte: „Man hat meinem Gott das Haus angezündet – und die Meinen haben es getan.“ Danach stimmten er und Armin Rether das „Kyrie eleison“ (Herr, erbarme dich) an - und Hunderte sangen mit.

Ulrich Freischlad, Leiter der Evangelischen Allianz in Krefeld, die Mitveranstalter des Abends war, setzte einen weiteren ökumenischen Akzent und erinnert an den Brandanschlag auf die Moschee in Dortmund-Eving. Er wünschte sich, dass sich die Menschen nachhaltig mit Respekt und Wertschätzung begegneten. „Jesus ist Jude“, betonte er, „vom Glauben her gesehen sind die Juden unsere älteren Geschwister.“ Dann lud er alle ein, zur neuen Synagoge zu ziehen und dort an einer stillen Mahnwache teilzunehmen.

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