Krefeld Eine St.-Martin-Sammlerin erzählt

Krefeld · Sammeln für Sankt Martin – ein Ehrenamt, das Durchhaltevermögen verlangt. Es gibt völlig unterschiedliche Reaktionen, wenn man an der Haustüre klingelt.

 Bettina van Mierlo sammelt seit fast 20 Jahren an Fischelns Haustüren dafür, dass Kinder eine gefüllte Martinstüte bekommen.

Bettina van Mierlo sammelt seit fast 20 Jahren an Fischelns Haustüren dafür, dass Kinder eine gefüllte Martinstüte bekommen.

Foto: Bettina van Mierlo

Unsere Mitarbeiterin Bettina van Mierlo engagiert sich seit zwei Jahrzehnten für St. Martin. Sie geht quasi Klinkenputzen und sammelt an Haustüren Geld für den Zug, genauer: dafür, dass den Kindern nach dem Zug eine gefüllte Martinstüte geschenkt werden kann. Für uns schildert sie ihre Erlebnisse.

„Jedes Jahr zu Beginn der dunklen Jahreszeit denke ich besonders intensiv an Sankt Martin, der seinen Mantel halbiert hat für einen Bettler. Denn ein bisschen fühle ich mich auch wie ein Bittsteller, wenn ich wie seit vielen Jahren schon in meinem Sammelbezirk unterwegs bin, um zu helfen, das Brauchtum des Martinsfestes, das mittlerweile hier bei uns im Rheinland zu den immateriellen Kulturgütern gehört, aufrechtzuerhalten. Es ist schön zu wissen, dass jedes Kind zwischen einem Jahr und 14 Jahren eine gut gefüllte Martinstüte bekommt, unabhängig davon, ob die Eltern für das Abholkärtchen Geld spenden können oder nicht.

Meine Erfahrung hat den optimalen Zeitpunkt des Sammelns noch immer nicht genau ergeben: Es darf noch nicht dunkel sein, denn dann machen viele die Tür nicht mehr auf; an Samstagen ist meist niemand zu Hause – außer es regnet in Strömen, was bei mir dann auch nicht gerade die größte Begeisterung für das von-Tür-zu-Tür Gehen hervorruft. Vor Jahren war der Sonntagvormittag nach der Messe eine gute Zeit, da wurde der Braten gekocht, aber diese Zeiten gehören längst der Vergangenheit an, wie ich mit leichtem Wehmut feststellen musste. In den Herbstferien ist es ganz schlecht, obwohl ich da als Lehrerin am besten Zeit erübrigen kann.

Wenn ich dann jemanden antreffe, den ich noch nicht kenne, weil er neu hinzugezogen ist, sehen mich freundlich-fragende, abwartende oder genervte Gesichter erwartungsvoll an. Ich sagte mein Sprüchlein auf - und die Reaktionen können unterschiedlicher gar nicht sein. Von einem kurzangebundenen „Wir geben nichts!“ über „Ich habe gerade kein Kleingeld.“ bis zu „Wir haben Sie schon erwartet!“ ist in solchen Fällen alles dabei.

Nur noch selten muss ich dann von unserem Brauchtum zugunsten aller Kinder berichten. Gerne hört man dann: „Unsere Kinder sind schon groß, wir brauchen keine Kärtchen mehr.“ Dann weise ich vorsichtig darauf hin, dass es nun aber womöglich andere Kinder gibt, deren Eltern vielleicht nicht viel Geld haben. Ärgerlich war auch die Bemerkung, man habe schon von „woanders“ seine Kärtchen für die Tüten bekommen. „Ich dachte, Sie kommen nicht mehr!“ Dabei hatte ich schon zweimal vergebens an dieser Haustür geklingelt.

 Bettina van Mierlo im Gespräch mit einer Mutter. Eltern, deren Kinder St.-Martin-Tüten erhalten haben, spenden meist auch dann noch, wenn die eigenen Kinder aus dem Haus sind.

Bettina van Mierlo im Gespräch mit einer Mutter. Eltern, deren Kinder St.-Martin-Tüten erhalten haben, spenden meist auch dann noch, wenn die eigenen Kinder aus dem Haus sind.

Foto: Bettina van Mierlo
 Drei Kinder, drei gelbe Karten, die gegen einen Martinstüte eingelöst werden können. Alle Kinder und Jugendliche bis 14 Jahre erhalten eine solche Tüte. Finanziert werden sie mit Spenden – auch von Menschen, die keine oder schon erwachsen Kinder haben.

Drei Kinder, drei gelbe Karten, die gegen einen Martinstüte eingelöst werden können. Alle Kinder und Jugendliche bis 14 Jahre erhalten eine solche Tüte. Finanziert werden sie mit Spenden – auch von Menschen, die keine oder schon erwachsen Kinder haben.

Foto: Bettina van Mierlo

Aber mit der Zeit – und jetzt sammle ich schon fast seit 20 Jahren für den guten Zweck und fühle mich schon als alter Hase – kennen mich meine Anwohner, also die Bewohner „meines“ Sammelbezirkes, schon gut. Da gibt mir eine Anwohnerin schon gleich auch das Geld von der Nachbarin, die gerade in Urlaub ist. Und woanders öffnen zwei aufgeweckte Kinder die Tür und rufen: „Mama, komm mal, wegen der Tüten!“, ohne dass ich auch nur einen Gruß loswerden kann. Eine ältere Dame sagt lächelnd: „Ich habe das Geld schon bereitgelegt. Das liegt hier schon über eine Woche und wird nicht für was anderes ausgegeben!“ Zwei Häuser weiter werde ich herein gebeten und es gibt eine kleine Erfrischung bei einem angeregten Austausch der wichtigsten Neuigkeiten. Besonders freut mich, dass ich nun mittlerweile zur Sammelzeit seit einigen Jahren in meinem Briefkasten von einem freundlichen - übrigens kinderlosen -Ehepaar einen Briefumschlag finde, der immer eine Spende enthält – auch wenn wir uns nicht persönlich gesehen haben. Wo ich niemanden antreffe, gehe ich ein zweites und drittes Mal hin – das weiß mittlerweile (fast) jeder. Erst beim dritten Mal hinterlasse ich einen Vordruck mit den Informationen und meiner Telefonnummer. Da klappt es dann oftmals „auf dem kurzen Dienstweg“, dass die Kärtchen noch ihren Besitzer finden. Denn dass aus meinem Bezirk ein Kind zwischen eins und 14 Jahren keine Tüte erhält, das würde mich doch sehr in meiner Sammlerehre kränken.

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