Bedburg-Hau Mit 17 Jahren an die Front

Vor 80 Jahren begann der Zweite Weltkrieg. Der 93-jährige Hasselter Franz Fruhen erzählt von seiner Kindheit, Schulzeit und seinem Soldatenleben. 1946 wurde er aus der Gefangenschaft entlassen.

 Franz Fruhen mit Bildern aus seiner Jugendzeit. Der 93-Jährige wurde in Frasselt geboren.

Franz Fruhen mit Bildern aus seiner Jugendzeit. Der 93-Jährige wurde in Frasselt geboren.

Foto: Markus van Offern (mvo)

Franz Fruhen ist zurzeit nach einer größeren Operation körperlich noch etwas angeschlagen. Ansonsten ist er topfit und kann als Zeitzeuge des einiges aus der Zeit des Zweiten Weltkriegs erzählen.  Er wurde Ende August 1926 als zweiter von drei Söhnen des Dorfschullehrers Josef Fruhen in Frasselt geboren. 1932 wurde er auf Antrag in die Frasselter Schule eingeschult, wo er als Linkshänder zum Rechtsschreiben umgepolt wurde. Er erlernte die Sütterlin-Schrift, die er heute noch anwendet. Die Schule in Frasselt war eine alte Lehranstalt mit wenig Komfort. Im Mai 1933 wurde sein Vater als Schulleiter nach Hasselt versetzt, wo die Familie eine Wohnung mit seiben Zimmern bezog zwischen der ehemaligen Gaststätte „Grüntjes“ und der alten Kapelle, die bis 1930 als Schule diente. Die Hasselter Schule war für damalige Verhältnisse sehr modern mit Duschen und Heizung ausgestattet.

„Mit 10 Jahren kam ich ins Jungvolk, ein paar Monate später in den Lehrjungzug, wurden dann vergattert und waren danach Pimpfe. Jeden Montag war Appell und im ehemaligen Föhrenbachstadion fand ein Staatsjugendtag statt“, erinnert sich Fruhen. Ab 1936 kam er in die Oberklasse (5. bis 8. Schuljahr) und sein Lehrer war sein Vater. Davon war er nicht begeistert.

Fruhen erlebte 1933 die feierliche Einweihung der neuen Hasselter Kirche und machte ab 1934 beim Schulsparen mit. Die Olympischen Spiele 1936 in Berlin verfolgte er intensiv am Volksempfänger (Radio). Im Sommer musste er Kartoffelkäfer suchen und Rüben ausdünnen. In den Ferien war Schwimmen in den Kolken am Erfgen angesagt, im Winter lief er Schlittschuh auf der zugefrorenen Hasselter Torfkuhle. 1938 und 1939 verbrachte er mit dem Jungvolk 14 Tage Urlaub im Heidelager Sevelen. In den Kartoffelferien half er den Hasseltern und Erfgenern Bauern bei der Kartoffelernte. „Wir bekamen zwei Reichsmark pro Tag, in Louisendorf gab es drei Reichsmark, wo wir eine Woche blieben“, sagt Fruhen.

Die Kreuze in den Schulen wurden entfernt und die Konfessionsschule wurde abgeschafft. „Ich konnte am 9. November 1938 von Hasselt aus nachts den Brand der Klever Synagoge sehen. Es war die Reichskristallnacht“, erläutert der 93-Jährige, der auch den Zeppelin am Hasselter Himmel erblickte. Im August 1939 mussten einige Schüler in der damaligen Amtsverwaltung Till in Hasselt Bezugsscheine ausstellen, die am 27. August für Lebensmittel, Bekleidung und andere Sachen ausgegeben wurden. „Unliebsame Lehrer, die nicht der Ideologie der Staatsgewalt folgten, wurden nach Ostpreußen versetzt“, erinnert sich Fruhen.

Und dann kam der 1. September 1939, der Tag als der 2. Weltkrieg losbrach. „Seit 5.45 Uhr wird zurückgeschossen“, das waren Hitlers Worte, die Fruhen im Volksempfänger vernahm. Er hörte danach täglich die Kriegsnachrichten. „Mein Bruder Joseph wurde Anfang 1942 Soldat, mein Vater war nur kurz im Krieg, da er als Amtsbrandmeister der Feuerwehr benötigt wurde“. Bis Oktober 1939 lief der Schulunterricht normal weiter, doch dann kamen die Quartiermacher der Wehrmacht und beschlagnahmten das Schulgebäude, und der ganze Unterricht kam zum Erliegen. Die Provinzialanstalt - heute Rheinische Kliniken- war als Lazarett ausgewiesen. Am 20. März 1940 fand die Schulentlassung des Jahrgangs 1925/26 mit acht Mädchen und 14 Jungen statt. Nach der Schule begann er eine dreijährige Betriebselektrikerlehre bei der Schuhfabrik Hoffmann in Kleve und legte bei der damaligen Gauwirtschaftskammer in Essen erfolgreich die Prüfung ab. In Wissel, am Petrusheim in Weeze und in Merzbrück absolvierte Fruhen eine vormilitärische Ausbildung im Segelfliegen. Von Oktober 1943 bis Februar 1944 wurde er zum Reichsarbeitsdienst in Labiau, Ostpreußen, eingezogen. Dann musste er ab April1944 zur Soldatengrundausbildung nach Frankreich, bei der Luftwaffe, und er wurde nachher ins Heer übernommen. Die Invasion der Alliierten startete von Sizilien und Afrika in Richtung Frankreich. „Wir wurden aus dem Hinterhalt beschossen. Das war schon Überlebenskampf. Im Dezember 1944 rückten wir ins Elsass vor, und Mitte Februar 1945 wurden wir über den Rhein in den Schwarzwald eingedrückt“, erklärt Fruhen. In Iserlohn geriet er in amerikanische Gefangenschaft. „Wir wurden nach Remagen in ein Lager gebracht. Wir hatten mindestens 2000 Läuse, wurden abgespritzt und alle waren weg. Eine größere Gruppe von Gefangenen, in der ich mich befand, wurde aussortiert, in die Normandie verfrachtet, um dort in einem amerikanischen Rückführungslager zu arbeiten. Später wurde ich nach Straelen geschickt, wo wir die Pipeline von Wesel nach Antwerpen abmontieren mussten. Mein Vater hat mich in Straelen besucht. Es sollte die Entlassung erfolgen, ging leider nicht, da wir in der englischen Zone waren, aber wir waren amerikanische Gefangene. So kamen wir ins „Paradies“ in Erlangen, haben auf einem Flugplatz gearbeitet, und ich wurde am 17. März 1946 in Regensburg aus der Gefangenschaft entlassen“, so Fruhen.

 Fruhen geriet im Februar 1945 in amerikanische Gefangenschaft.

Fruhen geriet im Februar 1945 in amerikanische Gefangenschaft.

Foto: Markus van Offern (mvo)

Er begann wieder zu arbeiten, gründete mit seiner Katharina, mit ihr ist er seit 67 Jahren verheiratet, eine Familie. Eine Tochter, zwei Enkel und vier Urenkel zählen zur Fruhen-Sippe. Er besitzt eine umfangreiche Sammlung von Dokumenten und Fotos, die er selbst im hohen Alter eingescannt hat. Das ist schon Heimatgeschichte pur.

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