Interview Christian Heiß Chorreisen als spannende Abenteuer

Kevelaer · Der neue Chef der Regensburger Domspatzen über die Sängerausbildung und das Konzert in Kevelaer.

 Christian Heiß bei einer Probe mit den Regensburger Domspatzen.

Christian Heiß bei einer Probe mit den Regensburger Domspatzen.

Foto: Marcus Weigl/Domspatzen

Herr Heiß, stellen Sie sich bitte kurz vor?

CHRISTIAN HEISS Nach dem Abitur studierte ich die Hauptfächer Kirchenmusik und Orgel bei Professor Franz Lehrndorfer an der Musikhochschule München. Ab 1999 war ich Domorganist in Eichstätt und wechselte 2002 in der Nachfolge von Professor Wolfram Menschick in das Amt des Eichstätter Domkapellmeisters. In dieser Funktion leitete ich die Chöre der Eichstätter Dommusik (Domchor, Schola Gregoriana und Jugendkantorei). Zudem trug ich als Diözesanmusikdirektor und Leiter des Amtes für Kirchenmusik die Verantwortung für die diözesane Kirchenmusik im Bistum Eichstätt. Früher spielte ich regelmäßig Orgelkonzerte oder komponierte Chorwerke für renommierte Musikverlage. Dafür wird nun wohl nicht mehr so viel Zeit bleiben. Meine Frau und unsere drei Kinder geben mir die Kraft für meine Aufgaben.

Seit wann sind Sie Domkapellmeister der Regensburger Domspatzen?

HEISS Ich habe am 1. September meinen Dienst als Domkapellmeister in Regensburg angetreten. Damit verbunden ist zum einen natürlich die Leitung der Regensburger Domspatzen, dieses weltbekannten Knabenchores mit über 1000-jähriger Tradition. Dazu gehört aber auch die Verantwortung für zwei Schulen – Grundschule und Gymnasium – und ein Internat, natürlich zusammen mit den Kollegen der Leitungsebene. Und: Ich bin auch mitverantwortlich für eine gute Kirchenmusik am Regensburger Dom St. Peter, wozu im Übrigen auch die Orgelmusik gehört.

Hatten Sie zuvor eine Beziehung zu diesem Chor?

HEISS Ich bin selbst ehemaliger Domspatz und habe dort 1986 mein Abitur gemacht. Ich bin also jetzt wieder an den Ort zurückgekommen, der mich menschlich und musikalisch wesentlich geprägt hat. Ich habe viele gute Erinnerungen an meine Zeit bei den Domspatzen. Konzertreisen durch Deutschland, Europa, USA und Asien. Das sind Erlebnisse, die mir keiner mehr nehmen kann. Dazu die vielen schönen Gesänge im Regensburger Dom, vor allem zu Weihnachten oder Ostern. Das war und ist einfach einzigartig.

Beabsichtigen Sie im Vergleich zu Ihren Vorgängern eine andere Amtsführung?

HEISS Ich hänge nicht an einem starren Konzept. Ein Chorleiter braucht eine natürliche Autorität und eine grundsätzliche Freundlichkeit. Ich habe selbst eine Familie und von daher Erfahrungen im Umgang mit Kindern. Ich glaube, dass meine Kinder glücklich mit ihrem Papa sind. Und genau um das geht es. Wir schaffen Heimat für unsere Buben. Familie können wir freilich nicht ersetzen. Aber wir sorgen dafür, dass sich die Kinder bei uns in Regensburg wohl fühlen und gut entwickeln können, menschlich wie musikalisch. Die dafür nötige Disziplin, ohne die weder im Sport noch in der Kunst etwas erreicht werden kann, will ich auf eine natürliche Weise herstellen.

Wie groß sind die Probleme, Nachwuchskräfte für die Domspatzen zu gewinnen?

HEISS Wir leugnen nicht, dass es schon mal einfacher war. Aber wir haben große Hoffnung, dass es aufwärts geht. Es gibt einen klaren Plan. Die Domspatzen gehören zu den besten Knabenchören weltweit. Sie sind immer noch eine Weltmarke. Und die gilt es zu pflegen. Es gibt viele Eltern, die zunächst skeptisch waren, ihr Kind uns aber doch anvertraut haben. Heute sind sie glücklich, weil ihr Kind bei uns glücklich ist und Eindrücke sammelt, die ein anderer in seinem ganzen Leben oft nicht hat. Wir möchten die Menschen von klein auf für Musik begeistern. Ich selbst habe schon vor Kindern gestanden, die bis dahin kaum ein Wort mit anderen sprechen konnten. Durch die Musik haben sie Selbstvertrauen geschöpft.

Wie läuft die Auswahl ab?

HEISS Die Jungs brauchen zunächst die Eignung fürs bayerische Gymnasium. Wenn diese Voraussetzung da ist, müssen sie bei uns vorsingen. Wir testen dann auf spielerische Weise, ob das Kind musikalisch veranlagt ist und ob seine Stimme gesund ist. Das tut nicht weh und macht sogar Spaß. Wenn auch da alles passt, steht einer Aufnahme eigentlich nichts mehr im Wege.

Wie verkraften die jungen Sänger die Anforderungen von ausgedehnten Tourneen, wie sie gerade jetzt wieder anstehen?

HEISS Die Tourneen waren früher noch viel ausgedehnter. Und: Es gibt Chöre, die viel länger unterwegs sind als wir. Wir versuchen immer auf die Balance zwischen Schule und Chor zu achten. Die Kinder empfinden unsere Chorreisen eher als spannende Abenteuer. Es ist für sie nicht so stressig, wie es von außen aussehen könnte. Auf Reisen schauen wir immer auch darauf, dass die Sänger genügend Zeit für sich bekommen. Es gibt immer auch freie Zeit, wo wir gemeinsam Ausflüge in den Zoo oder ins Fußballmuseum machen. Und natürlich haben die Buben auch auf Reisen die Möglichkeit, sich mal auszutoben.

Welche Verbindungen sehen Sie zwischen dem bayerischen Regensburg und der niederrheinischen Wallfahrtsstadt Kevelaer?

HEISS Auch Kevelaer hat eine große Wallfahrt- und vor allem Kirchenmusik-Tradition. Wolfgang Seifen, ebenfalls ein ehemaliger Domspatz, war dort in den 80er und 90er Jahren Organist. Er ist ein hervorragender Improvisateur auf der Königin der Instrumente. Die Domspatzen kommen seit vielen Jahren immer wieder gerne in die Basilika. Ich freue mich, den dortigen Kirchenmusiker und die Menschen dort persönlich kennenzulernen.

Auf welches Konzertprogramm darf sich das Publikum in Kevelaer freuen?

HEISS Das Publikum wird ein Kaleidoskop an wunderbaren Stücken der Kirchenmusik präsentiert bekommen. Das Motto unseres Konzerts lautet „Singet dem Herrn!“. Die Klammer des Programms bilden die Vertonungen dieses Psalms von Claudio Monteverdi und Heinrich Schütz. Wir singen Werke aus allen Epochen der Musikgeschichte, darunter auch eine Bach-Motette und zeitgenössische Kompositionen. Bei manchen Stücken werden einige Sänger auch solistisch in Aktion treten.

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