Kaarst Cool bleiben, auch wenn's knifflig wird

Kaarst · Beim "Back-up-Training" mit Martin Kragl üben Kinder den Umgang mit schwierigen Situationen, sich nicht auf Provokationen einzulassen und rechtzeitig "Stopp" zu sagen. Spielerisch lernen sie, Konflikte frühzeitig zu erkennen – bevor es brenzlig wird.

 Vertrauen schaffen und Vertrauen haben – in ganz praktischen Übungen lernen Kinder und Jugendliche, ihr Selbstbewusstsein zu stärken, und haben dabei auch noch viel Spaß.

Vertrauen schaffen und Vertrauen haben – in ganz praktischen Übungen lernen Kinder und Jugendliche, ihr Selbstbewusstsein zu stärken, und haben dabei auch noch viel Spaß.

Foto: Michael Reuter

Beim "Back-up-Training" mit Martin Kragl üben Kinder den Umgang mit schwierigen Situationen, sich nicht auf Provokationen einzulassen und rechtzeitig "Stopp" zu sagen. Spielerisch lernen sie, Konflikte frühzeitig zu erkennen — bevor es brenzlig wird.

Der 11-jährige Max steht am Ende einer Stuhlgasse, lächelt angespannt und knetet seine Hände nervös vor dem Bauch. "Los", sagt er, und auf dieses Stichwort dreht Trainer Martin Kragl sich am anderen Ende um und geht mit großen Schritten auf Max zu. Seine Körperhaltung ist angespannt, in seinem Gesicht ein aggressiver Ausdruck. Max erschrickt sichtlich bei dem Anblick, und schon nach wenigen Sekunden ruft er deutlich "Stopp!"

Kragl hält sofort an und lächelt Max aufmunternd an. Die Distanz zwischen Max und dem Trainer wird durch Klebestreifen am Boden festgehalten, während die anderen Kinder die Stuhlgasse wieder in einen Stuhlkreis verwandeln. "Ihr habt alle früher oder später so ein ungutes Gefühl gehabt, dass ich euch zu nahe komme, und dann habt ihr 'Stopp' gesagt", erklärt er, "Auf dieses Bauchgefühl könnt ihr euch immer verlassen, und darauf müsst ihr auch hören und den anderen klar und deutlich mitteilen, wenn das für euch zu weit geht."

Diese Übung ist eine von vielen, die sieben 11-bis 13-jährige Kinder bei dem Projekt "Back-up Training — Trainiere deine Coolness" in der Büttgener Kindertagesstätte St. Aldegundis absolvieren. Der Arbeitskreis "Ehe und Familie" der katholischen Pfarrgemeinde Büttgen hatte das Projekt gestartet, um Kinder spielerisch erfahren zu lassen, wie man Konflikte und Gewalt frühzeitig erkennen und vermeiden kannt.

Dabei ist dieses Rollenspiel eine der ernsteren Übungen, die der gelösten und fröhlichen Stimmung aber keinen Abbruch tun. "Wichtig bei den ganzen Übungen ist es, sich 'seiner selbst bewusst zu werden', seine eigenen Grenzen kennenzulernen und anderen diese klar aufzuzeigen", erklärt Martin Kragl, der zertifizierter Antigewalt- und Deeskalationstrainer ist.

Aber der hauptberufliche Bewährungshelfer sorgt mit seinem actionreichen Trainingsprogramm auch für viel Spaß bei den Kindern. "Klar schwingen hier präventive Maßnahmen gegen alltägliche Schwierigkeiten zum Beispiel in der Schule mit, aber die stehen längst nicht im Vordergrund", sagt der 35-Jährige. Denn er arbeitet keineswegs nur mit Kindern, die ein Antigewalt-Training oder Ähnliches nötig hätten. "Es geht eher um eine freiwillige Weiterentwicklung, eine solche Förderung und Stärkung des Selbstbewusstseins kann jeder gebrauchen und das geht vor allem mit Spaß und viel Kommunikation."

Dies ist auch das Motto des Spiels "Bombenentschärfungskommando", in dem es auf klare Ansagen ankommt. Zwei Vierergruppen müssen jeweils eine Bombe in Form eines Tennisballs entschärfen, indem sie die Positionen ebenjener miteinander vertauschen. Die Schwierigkeit ist hoch: Nicht nur darf man die 'Bombe' natürlich nicht anfassen, sondern muss sie auch noch auf einem Ring, der an Seilen befestigt ist, transportieren. Zudem sind zwei der vier Kinder "blind" und müssen sich auf die Anweisungen der anderen beiden verlassen.

"Das war schon schwer", erzählt der 12-jährige Simon hinterher. "Ich musste ja die Augen für die anderen sein und ihnen sagen, wo sie hinlaufen mussten, ob sie die Seile höher oder straffer halten mussten und das Ganze auch noch seitenverkehrt!"

Für die Kinder mit verbundenen Augen war das allerdings auch keine leichte Übung, wie Hannah (13) erklärt: "Man musste sich total auf die anderen verlassen, aber das hat mit den Kommandos eigentlich ganz gut geklappt. Je kürzer und genauer die waren, desto sicherer war ich." "Ich hab durch die Übung schon gemerkt, wie wichtig es ist, sich im Team gut zu verständigen, und dass man dann solche Aufgaben gut schaffen kann", erzählt der 12-jährige Philipp. "Genau auf dieses Verständnis kommt es an", sagt Kragl, bevor dann endlich alle in die wohlverdiente Mittagspause gehen.

Am Ende des fünfstündigen Trainingsprogramms sind sich auch die Kinder einig: "Wenn mich in der Schule mal jemand mobben will oder da Streit ist, weiß ich, was ich machen kann", sagt Philipp abschließend.

(rütten)
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