Vorstand stellt sich Fahrgast-Fragen Rheinbahn streicht „Sofort“ auf Anzeigetafeln

Der neue Technik-Vorstand nimmt Stellung zu den drängendsten Anliegen der RP-Leser – und verspricht Hilfe für die U79.

 Ein Rheinbahn-Bus am Hildener S-Bahnhof. Dort werden Fahrgäste mit dynamischen Anzeigetafeln über die Anschlüsse informiert.

Ein Rheinbahn-Bus am Hildener S-Bahnhof. Dort werden Fahrgäste mit dynamischen Anzeigetafeln über die Anschlüsse informiert.

Foto: Christoph Schmidt

Michael Richarz ist der Mann, der dafür sorgen soll, dass die Rheinbahn-Fahrgäste schneller und zuverlässiger ans Ziel kommen. Seit März ist er im dreiköpfigen Vorstand um Vorstandschef Klaus Klar für die Themen Betrieb und Technik zuständig – und soll in dieser Position dafür sorgen, dass das „Kerngeschäft“ des Düsseldorfer Nahverkehrsunternehmens besser läuft.

Zu tun ist viel – das hat der Leseraufruf unserer Redaktion gezeigt: Hunderte Zuschriften mit vielen Wünschen, Vorschlägen und Kritikpunkten haben uns erreicht. Im ersten Interview seit seinem Antritt nimmt Michael Richarz Stellung zu den drängendsten Fragen der Leser und erklärt, wie die Rheinbahn besser werden will.

Herr Richarz, die Rheinbahn hat in der vergangenen Woche bei Twitter geschrieben, sie habe „massiv“ mit Personalmangel zu kämpfen. Dadurch käme es zu Verspätungen und Ausfällen. Wie stark sind die Auswirkungen?

Michael Richarz  Die ganze Verkehrs- und Logistikbranche leidet unter einem Mangel an Fahrern. Dazu kommt, dass wir bei der Rheinbahn nicht nur viele Mitarbeiter ersetzen müssen, die in Rente gehen, sondern unser Angebot weiter ausbauen. Daher haben wir momentan einen Engpass an Fahrern. Aber den gleichen wir aus: Wir haben in diesem Jahr schon mehr als 250 Fahrer eingestellt und tun viel dafür, mehr ausbilden zu können und die Arbeitsbedingungen attraktiver zu gestalten. Um neue Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Fahrdienst auszubilden, haben wir zum Beispiel die Fahrschule deutlich aufgestockt, sowohl mit Fahrlehrern als auch mit Fahrschulbussen. Unser Ziel ist es, die Ausfälle bei Bus und Bahn auf ein geringes Maß zu reduzieren. Und da sind wir auf einem guten Weg.

Der Ingenieur Michael Richarz gehört seit dem Frühjahr zum Vorstand der Rheinbahn und ist zuständig für Betrieb und Fahrzeuge.

Der Ingenieur Michael Richarz gehört seit dem Frühjahr zum Vorstand der Rheinbahn und ist zuständig für Betrieb und Fahrzeuge.

Foto: Pascal Bruns/Rheinbahn

Ein großes Ärgernis für unsere Leser ist mangelnde Pünktlichkeit. Viele wünschen sich, dass der Fahrplan besser eingehalten wird.

Richarz Zuverlässigkeit gehört zu unseren wichtigsten Zielen. Wir haben im Rahmen unserer Qualitätsoffensive ein neues Tool eingeführt. Das versetzt uns in die Lage, deutlich zu erkennen, wo es Verspätungen gibt. Dadurch können wir gezielt Engpässe beseitigen.

Was wollen Sie konkret tun?

Richarz Unser Ziel ist es, dass unsere Fahrzeuge schneller durchkommen, also der öffentliche Nahverkehr Vorrang hat. Wenn man bedenkt, wie viele Menschen in einer Bahn oder einem Bus sitzen, ist das auch richtig. Wir haben Mitarbeiter eingestellt, die sich gemeinsam mit der Stadt darum kümmern, dass zum Beispiel Ampeln optimiert werden. Auch Busspuren oder Abschraffierungen bringen uns viel. Für einen Verkehrsversuch sind aktuell 500Meter auf der Erkrather Straße abschraffiert worden, so dass Autos dort nicht mehr fahren dürfen. Das kurze Stück bringt der U75 durchschnittlich zwei bis drei Minuten! In Einzelfällen sogar bis zu fünf Minuten. Auch die Umweltspuren sind für uns ein großer Schritt.

Die Beschleunigung ist ein Thema, an dem die Rheinbahn schon viele Jahre arbeitet.

Richarz Ja, aber heute ist das Gehör dafür größer. Das liegt an Herausforderungen wie Luftverschmutzung und Klimawandel. Das müssen wir nutzen, um den Nahverkehr attraktiver zu machen.

Haben Sie ein konkretes Pünktlichkeitsziel?

Richarz Jeder würde sich 100 Prozent wünschen. Das ist aber schlicht nicht realistisch. Und man muss auch mal ganz klar sagen: Für massive Verspätungen können wir oft nichts. Fremdunfälle, Staus oder Behinderungen durch Falschparker auf den Gleisen können wir nicht verhindern, auch wenn wir sie nicht einfach akzeptieren.

Stichwort Taktung: Wird die Rheinbahn mehr fahren?

Richarz Ja. Wir haben auf den Hochflur-Bahnen den Takt auf vielen Linien bereits verkürzt. Im kommenden Jahr wird da noch viel mehr passieren. Wir werden auch auf ausgewählten Straßenbahn- und Buslinien die Taktung bis 21 Uhr verdichten und auch den Samstagsfahrplan ausbauen.

Eines der Themen, zu denen wir die meisten Zuschriften erhalten haben, ist die Kommunikation. Viele Leser würden gern besser informiert, wenn es Verspätungen oder Ausfälle gibt. Das betrifft die digitalen Anzeigen an den Haltestellen und die App.

Richarz Ja, das kann ich verstehen. Ich weiß ja selbst aus meiner Erfahrung als Fahrgast, dass ich viel entspannter mit Verspätungen umgehe, wenn ich gut informiert werde. Der Kunde sagt: Wir sind im Zeitalter der Digitalisierung, das kann nicht so schwer sein. Das ist aber leider nicht so einfach, wie wir es uns wünschen – und es geht nicht nur uns so: Die Abläufe in unserer Branche sind technisch sehr komplex, daher können wir nicht auf einen Schlag alles ändern, sondern führen Verbesserungen im System nach und nach ein.

Was tun Sie konkret?

Richarz Ein Beispiel: Wenn es auf einer Linie eine Baustelle gibt, wird sie bislang den Nutzern der App immer angezeigt, selbst wenn sie diesen Abschnitt gar nicht befahren wollen. Das wird sich bald ändern. Der Kunde soll nur die Infos bekommen, die er braucht. Den Lauftext auf den Anzeigetafeln haben wir bereits angepasst: Die Texte waren teilweise einfach zu lang – jetzt werden sie kurz und knackig und dadurch besser verständlich formuliert.

Ein großes Ärgernis ist, wenn ausgefallene Fahrzeuge einfach von der Anzeige verschwinden.

Richarz Wir werden das ändern. Bald wird der Kurs weiter zu sehen sein, aber mit dem Zusatz „fällt aus“. Damit sind wir Vorreiter im ÖPNV.

Andere Fahrgäste beschweren sich bei uns, dass sie teilweise zehn Minuten im Tunnel stehen und nicht erfahren, was los ist. Warum gibt es oft keine Durchsage?

Richarz  Wir wollen unsere Fahrgäste besser informieren. Bei Durchsagen sind unsere  Fahrer gefordert und wir schulen sie entsprechend. Es hilft  ja, einfach mal kurz zu informieren, warum es gerade nicht weitergeht. Das gilt auch für die Leitstelle, wo wir jetzt einen zweiten Arbeitsplatz für die Fahrgastinformation einrichten. Auch von dort machen wir Durchsagen.

Was bedeutet auf den Anzeigetafeln der Rheinbahn eigentlich „Sofort“? Dazu haben wir eine Reihe von Zuschriften.

Richarz Technisch ist das einfach zu erklären. Die Züge senden über Infrarot ein Signal, wenn sie an bestimmten Punkten vorbeikommen. Daran orientiert sich das System. Wenn es kurz vor der Ankunft noch eine Störung geben sollte, kann das System das allerdings nicht erkennen.

Der Begriff „Sofort“ scheint die Menschen aufzuregen.

Richarz Ja. Deswegen wird er abgeschafft und ersetzt.

Zu den großen Wünschen zählt auch Sauberkeit. Viele unserer Leser sehen viel Raum nach oben.

Richarz Zu Einsatzbeginn starten unsere Züge natürlich gereinigt vom Betriebshof. Dieser Top-Zustand bleibt leider nicht erhalten. Deshalb machen wir gerade einen Test-Einsatz mit Reinigungskräften im laufenden Betrieb. In unseren Zügen sind halt viele Menschen unterwegs, die essen oder Kaffee trinken, andere lassen die Zeitung liegen. Darauf stellen wir uns besser ein. Nur die Reinigung in der Nacht reicht nicht, wir müssen über den Tag mehr tun. Als ganz konkrete Maßnahme für die Haltestellenreinigung setzen wir zwei zusätzliche Service-Trupps ein, das ist auch ein Ergebnis unserer Qualitätsoffensive.

Passiert über den Tag bis jetzt nichts?

Richarz Grundsätzlich prüfen unsere Fahrer  an den Endhaltestellen ihren Zug. Bei größeren Verunreinigungen wechseln wir  das ganze Fahrzeug aus. Das führt dann aber wiederum zu Verspätungen oder sogar zu Ausfällen. Die neuen E-Leder-Sitze sind dabei  eine große Verbesserung: Sie lassen sich deutlich leichter und viel schneller reinigen als Polstersitze – und sie können sofort wieder genutzt werden.

Bei der Hitzewelle hat man kürzlich wieder gemerkt: Eine Klimaanlage wäre angenehm. Das wünschen viele unserer Leser. In Autos ist sie schon lange Standard.

Richarz Das stimmt. Die Autos tauscht man aber häufiger aus als Straßenbahnen. Früher war es nicht üblich, eine Klimaanlage einzubauen. Keine unserer Bahnen ist damit ausgestattet, und bei den Bussen nur die neueren. Wir können leider keine Klimaanlagen nachrüsten, weil die Züge dann schwerer als erlaubt wären. Die gute Nachricht: Es ist Besserung in Sicht. Wir erneuern unsere Busflotte, weil wir den Abgas-Standard Euro 6 erfüllen wollen. Und die neuen Fahrzeuge haben alle eine Klimaanlage. Auch alle neuen Bahnen sind damit ausgestattet, die ersten werden im Herbst in den Betrieb gehen.

Manche Leser wünschen sich mehr Abstellfläche, etwa für Kinderwagen oder Rollstühle.

Richarz Die neuen HFx-Fahrzeuge, die wir gerade ausgeschrieben haben, werden mehr dieser sogenannten Multifunktionsflächen haben. Dadurch gibt es allerdings weniger Sitzplätze, das muss man immer abwägen. In diesen Fahrzeugen werden auch die Türbereiche großzügiger.

Die ältesten Hochflurbahnen – also die Bahnen auf allen unterirdischen Linien außer der Wehrhahn-Linie – stammen aus den 1970er Jahren. Hätte man früher neue Fahrzeuge bestellen sollen?

Richarz Wir mussten darauf warten, dass die Sicherheitstechnik in den Tunneln umgerüstet wird. Das haben wir jetzt erledigt. Es machte Sinn, die ganz alten Züge aus den 1970er Jahren so lange in Betrieb zu halten. Wir erneuern nach und nach komplett die Hochflur-Flotte und investieren laufend – allein bis ins Jahr 2024 rund 450 Millionen Euro in neue Schienenfahrzeuge.

Wir haben zu keiner anderen Linie so viele Beschwerden wie zur U79, und zwar sowohl aus dem Norden als auch von Studierenden, die mit der U79 zur Uni fahren. Wann bekommt die Rheinbahn diese Problem-Linie in den Griff?

Richarz Durch unser neues Analyse-Tool wissen wir ja genau, wann zusätzliche Fahrten sinnvoll sind, und wir werden unser Angebot nach und nach entsprechend verstärken. Wir haben uns entschieden, zu den Spitzenzeiten, in denen wir die größten Verspätungen haben, Verstärkerfahrten einzusetzen. Ganz konkret werden wir zwischen Wittlaer und der Düsseldorfer Innenstadt zusätzlich zum 10-Minuten-Takt weitere Züge fahren lassen. Wir können das dank der neuen Fahrzeuge, die ab Herbst eintreffen, im nächsten Jahr für unsere Fahrgäste leisten.

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