Grevenbroich Heimtückischer Mord vor 100 Jahren

Grevenbroich · Der Elsener Heimatforscher Dieter Schlangen erinnert an das Attentat auf Wilhelm Graf von Mirbach-Harff, der in Moskau einem Attentat zum Opfer fiel. Die Nachfahren des hochrangigen Diplomaten leben heute auf Gut Ingenfeld bei Neurath.

 Die Lithografie zeigt die Burg Harff um 1860. Das Schloss wurde 1972 wegen des herannahenden Braunkohletagebaus Frimmersdorf gesprengt.

Die Lithografie zeigt die Burg Harff um 1860. Das Schloss wurde 1972 wegen des herannahenden Braunkohletagebaus Frimmersdorf gesprengt.

Foto: Sammlung Duncker

Bei den Recherchen für sein Buch „Die eiserne Bahn“  ist der Elsener Heimatforscher auf das Schicksal von Wilhelm Graf von Mirbach-Harff aufmerksam geworden.  Dessen Leichnam wurde 1918 – also vor 100 Jahren - mit einem Sonderzug von Moskau über Berlin und Neuss in die Heimat überführt. Der Spross eines alten rheinischen Adelsgeschlechts war in Russland einem Mordanschlag zum Opfer gefallen. Er wurde nur 40 Jahre alt.

„Von Mirbach-Harff, dessen Nachfahren heute auf Gut Ingenfeld bei Neurath leben, war ein Diplomat ersten Ranges“, schildert Schlangen.  Von Mirbach-Harff war Botschaftsrat in Sankt Petersburg, Berater für politische Fragen beim Stab des deutschen Kommandos in Bukarest und Botschafter in Athen. Schließlich stand er bis zum 10. Februar 1918 der deutschen Gesandtschaft in Petrograd vor, die nach der  Unterzeichnung des Waffenstillstands von Brest-Litowsk eingerichtet wurde. Im April 1918 kam er als Außerordentlicher Gesandter und Bevollmächtigter Minister des Deutschen Reichs nach Moskau.

„In der Deutschen Botschaft kam es am Morgen des 6. Juli zum Attentat“, berichtet   Schlangen.  Zwei Männer – Jakow Bljumkin und Nikolau Andrejew – hatten sich unter  dem Vorwand in die Villa eingeschlichen, wichtige Nachrichten von einem Neffen des Grafen zu überbringen, der angeblich in Gefahr war. „Nach einem belanglosen Gespräch zogen sie plötzlich Revolver, gaben Schüsse ab,  zündeten einen Sprengsatz und flüchteten durch ein Fenster“, schildert der Heimatforscher. Mirbach-Harff erlag dem Anschlag. „Ziel der Attentäter und deren Hintermänner war es wohl gewesen, den von der Regierung Lenin in Brest-Litowsk unterzeichneten Friedensvertrag mit dem deutschen Kaiserreich zu unterminieren“, sagt Schlangen. Gegen diesen Vertrag argumentierten sowohl Gegner der Bolschewiki als auch deren Verbündeten aus dem revolutionären Lager. „Die Sozialrevolutionäre wurden später für die Ermordung des deutschen Gesandten verantwortlich gemacht“, berichtet Schlangen. Am 10. Juli 1918 fand in der deutschen diplomatischen Vertretung in Moskau eine Trauerfeier statt. Am Abend wurde der Leichnam auf den Alexander-Bahnhof  überführt und mit einem Sonderzug zum Stammsitz der Familie gebracht. Dort wurde der Gesandte am 15. Juli in der gräflichen Gruft beigesetzt. „Das offizielle Deutsche Reich nahm am 18. Juli in Berlin Abschied“, berichtet Dieter Schlangen: „In der St.-Hedwigs-Kirche zelebrierte der Fürstbischöfliche Delegat ein feierliches Requiem.“ Wilhelm Graf von Mirbach-Harff ist nicht das einzige Mitglied seiner weit verzweigten Familie, das einem Terroranschlag zum Opfer fiel. „Am 24. April 1975 starb Verteidigungs-Attachée Andreas Baron von Mirbach bei einem Überfall der Rote  Armee Fraktion (RAF) auf die deutsche Botschaft in Stockholm“, sagt Schlangen. Seine Recherchen, die ihn auch in das gräfliche Archiv führten, will der Elsener nun für einen größeren Beitrag zusammenfassen. Eine Veröffentlichung im Jahrbuch des Kreisheimatbundes ist geplant.

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