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Von Velden nach Straelen Marsch der Erinnerung

Straelen · Vor 75 Jahren flüchteten Menschen aus Velden nach Straelen, weil ihr Heimatort evakuiert wurde. „Nie wieder Krieg” ist die Botschaft und die dringende Forderung der Organisatoren des historischen Fußmarsches.

 In historischer Kleidung, begleitet von Militärfahrzeugen, bahnte sich der Menschenzug den Weg von Velden nach Straelen und erinnerte an die Evakuierung im Jahr 1945.   RP-Foto: N. Prümen

In historischer Kleidung, begleitet von Militärfahrzeugen, bahnte sich der Menschenzug den Weg von Velden nach Straelen und erinnerte an die Evakuierung im Jahr 1945. RP-Foto: N. Prümen

Foto: Norbert Prümen (nop)

Am Morgen des 14. Januars 1945, im letzten Jahr des Zweiten Weltkriegs, wurde der kleine Ort Velden in den Niederlanden evakuiert. Die Veldener zogen in einer Kolonne von fast zwei Kilometern Länge in eisiger Kälte von der Bauernschaft Schandelo über die Grenze nach Deutschland. Am Sonntag haben sich 240 Menschen auf denselben Weg gemacht, um an diese Evakuierung zu erinnern.

Man kann nur erahnen, wie sich die Menschen im Jahr 1945 gefühlt haben müssen. Sie alle fanden sich in der kleinen Bauernschaft Schandelo ein, für die mehr als 2000 Menschen war dort kaum Platz. Sie schliefen in Ställen, im Stroh oder in einem Bauernhaus. Der Winter war eisigkalt, und die Ungewissheit muss den Menschen zugesetzt haben. Was passiert mit uns? Wo kommen wir hin? Werden wir das überleben? Mit diesen existenziellen Fragen im Kopf zogen die Menschen damals weiter. Begleitet von deutschen Soldaten und Helfern des Roten Kreuzes marschierten sie bis nach Straelen.

Der Fotograf Harrie Hermkens, er ist heute 97 Jahre alt, hielt das ganze bildlich fest. Er hatte zwar eine Kamera, allerdings keinen Film. Den bekam er damals von einem deutschen Soldaten geschenkt. Zum Erinnerungsmarsch konnte Hermkens allerdings nicht kommen. Er fühlte sich nicht mehr fit genug, um teilzunehmen. Doch sein Sohn, Han Hermkens, hat dieses Bild wiederholt. Genau wie damals entstand es am Grenzweg in Straelen.

Vor zwei Monaten gab es den Aufruf für den Erinnerungsmarsch in Velden. Die Resonanz war riesig. Von den 240 Teilnehmern kamen rund 20 in alten Militärfahrzeugen. Frank Heinemans ist der Organisator auf der niederländischen Seite. Er und Tom Doesborg hatten die Idee und möchten damit nicht nur an ein Ereignis erinnern.

Frank Heinemans ist es auch wichtig, dass über die Jahre eine tiefe Verbundenheit zwischen den Städten Velden und Straelen entstanden ist. Darum waren auch beide Seiten an der Organisation des Erinnerungsmarsches beteiligt.

Am Bauerncafé Jacobs fand sich der Evakuierungszug gegen Mittag zu einer Pause ein. Aus der Ferne hörte man Musik und den Klang von Stimmen. Viele Menschen mit alten Koffern, Kinderwagen, Holzkarren, Fahrrädern und was man sonst noch als Transportmittel nutzen konnte, waren gekommen. Ihre Kleidung sah aus wie frisch aus Omas Kleiderschrank. Gepflegt und doch mit historischem Flair.

Der 18-jährige Jimmy Haanen war mittendrin. Seine Großeltern sind damals in dem Evakuierungstrack mitgelaufen. Sein Opa war 1945 nur zwei Jahre älter als er heute. In seiner Familie wird noch von diesem Ereignis erzählt. Für Jimmy war es daher ein persönlicher Marsch der Erinnerung. Diese Emotionalität und Ergriffenheit werden ihm noch lange in Erinnerung bleiben.

Für Gerd van Hees, 66 Jahre alt, stand dieser Marsch für die Verbundenheit zu seinen Eltern. Der Vater Jack war damals 27 Jahre alt und Mutter Anna 24 Jahre. Gerd van Hees trug einen Hut, den er noch von seinem Opa hat. Er erzählte, dass seine Mutter damals hochschwanger den beschwerlichen Weg mitgelaufen ist. Er hat sechs Geschwister. Zuhause wurde oft über die Evakuierung gesprochen. Der Tenor: Die Ungewissheit, man musste alles zurücklassen, wusste nicht wohin es geht. Zum Glück konnte die Familie nach dem Krieg wieder in den Heimatort zurück. Dass er den Erinnerungsmarsch mitmachte, ist für Gerd van Hees eine Aufarbeitung der Geschehnisse von vor über 75 Jahren.

Die Stimmung während des Marsches war ruhig. Die Transportmittel klapperten über den Asphalt: gekürzte Leitern mit Rollen drunter, Bollerwagen aus Holz oder alte Fahrräder, die vielleicht seit 75 Jahren vergessen in einer Scheune standen. Am Straßenrand standen Anwohner mit ihren Kameras. Im Vorbeigehen hörte man sie flüstern: „Ist schon ein bedrückender Anblick.“ Louise Geurts ging den Weg das zweite Mal. Vor 75 Jahren war sie gerade mal zwei Jahre alt. Das meiste weiß sie nur aus den Erzählungen ihrer Mutter. Es ist ein emotionales Thema. Durch die vielen Erzählungen über den sehr strengen Winter, das Zurücklassen von allem, was man sich erarbeitet hat, wurde dieser Weg noch einmal lebendig. Louise Geurts erzählte, dass die Gemeinschaft unter den Menschen gut war: „Man hat sich untereinander geholfen. Ganz egal ob mit Essen, Kleidung oder was man so teilen konnte.“ Der Zusammenhalt war da. Mit einem Satz bringt Louise Geurts die Aktion auf den Punkt: „Manchmal muss man daran erinnern, was Krieg doch für eine Scheiße ist.“

Gemeinsam zogen die Nachfahren und die Betroffenen noch bis zur Bofrost-Halle. Dort traf man sich zu einer Abschlussfeier. Durch Musik und Texten aus den vergangenen Tagen wirkte dieser Tag wie eine Zeitreise. Es war ein Erinnerungsmarsch, der dabei helfen konnte, die Brücke zwischen den Generationen zu schlagen, ein besseres Verständnis zu erhalten, wie die Situation damals war.

Auf jeden Fall war es ein einschneidendes Erlebnis, das man so schnell nicht vergisst. Ganz egal ob man diesen Marsch zum ersten oder zum zweiten Mal gelaufen ist.

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