Erkelenz Benin: Armut und Wohlstand Tür an Tür

Erkelenz · Madleen Stolze aus Wegberg berichtet aus Westafrika: Arme und reiche Menschen leben dort in unmittelbarer Nachbarschaft.

 Madleen Stolze absolviert einen Freiwilligendienst in Benins Hauptstadt Porto Novo und lebt derzeit in einer Pastorenfamilie.

Madleen Stolze absolviert einen Freiwilligendienst in Benins Hauptstadt Porto Novo und lebt derzeit in einer Pastorenfamilie.

Foto: Jürgen Laaser (archiv)

Es ist nicht immer alles schwarz und weiß — und das meine ich nicht hinsichtlich der Hautfarbe. Ein Aspekt, der mir in meinem Freiwilligendienst in Benins Hauptstadt Porto Novo komplex, zeitweise verwirrend aber immer wieder außerordentlich faszinierend erscheint, ist die Mehrdeutigkeit der Dinge, die mich immer wieder lehrt, wie schwierig, viel mehr falsch es ist, dieses Land und seine Menschen mit allgemeindefinierten Aussagen festzunageln oder an stereotypisch vorbelasteten Termini zu messen. Nur die eine Dimension zu be-leuchten, käme Lügen gleich. Um eine Vorstellung davon zu vermitteln, mit welch süffisanter Ironie der Widerspruch am Werke ist, möchte ich einige Beispiele aus meinem alltäglichen Leben aufgreifen.

Ich lebe in Benin in einer sechsköpfigen Pastorenfamilie, deren Oberhaupt und Vater Pastor der zweitgrößten Kirche Benins und damit durchaus besser verdienend ist als der Durchschnitt der Bevölkerung. Somit ist der Haushalt nicht nur ausgestattet mit Kühlschrank und Dusche, sondern auch mit einem Fernseher und einem bordeauxroten Geländewagen in der Einfahrt. Trotz des vermeintlichen Luxus steht im Hof ein Zugbrunnen, aus dem ich schon etliche Male mein Wasch- und Zahnputzwasser gezogen habe, und hinterm Haus kochen die Frauen der Familie immer noch über offenem Feuer. Der Hauptgrund dafür ist der häufige Wasser- und Stromausfall, der die Stadt teilweise für ganze Nächte in Dunkelheit hüllt und die Bevölkerung so unmittelbar vom Grundwasser abhängig macht — Arm und Reich gleichermaßen.

Ein weiteres Phänomen in Porto Novo ist das weite Spektrum des Lebensstandards und dies teilweise auf engstem Raum. Hier scheinen Armut und Wohlstand Tür an Tür zu wohnen: Von Bungalows mit gepflegtem Anstrich und akkuraten Vorgärten führt die kaum 100 Meter lange Straße vor meinem Haus vorbei an Kommunen aus Lehmhütten mit improvisierten Türen und Bewohnern, die ihren Vorhof mit Palmzweigen fegen. Abseits davon gibt es in Porto Novo nicht nur Menschen, denen man die Armut direkt ins Gesicht geschrieben sieht. Für viele hat ordentliche Kleidung im öffentlichen Raum einen hohen Stellenwert; und da, unabhängig von den eigenen, finanziellen Verfügbarkeiten, jeder mit Gewändern aus bunten Stoffen herumläuft, verschwimmt zumindest vor meinem ungeschulten Auge oft die Grenze zwischen Arm und Reich, und so bin ich umso schockierter, wenn ich erfahre, dass die Lebensbedingungen eines jenen weitaus schlechter sind als angenommen.

Einmal fand ich auf einer Malzbierdose aus Nigeria den Slogan "Keep your country clean — gardez votre pays propre", daneben war das altbekannte Icon eines Müll entsorgenden Männchens abgebildet. Doch wie entsorgt man Müll ohne Mülleimer — diese sind hier Mangelware. Selbst wenn es welche gäbe, wurde das nicht viel ändern, da es kein wirklich funktionstüchtiges Entsorgungssystem gibt. Der Großteil der Leute entsorgt seinen Abfall am Straßenrand, wo dieser in Müllbergen zusammengeklaubt und verbrannt wird. Zwar gibt es eine Müllabfuhr, doch nicht jeder hat die umgerechneten drei Euro im Monat übrig, um für diese Dienstleistung zu bezahlen.

Wenn ich mal wieder ein einfaches Top oder eine Jeans brauche, suche ich die Wühltische der Secondhandbekleidung durch. Die Verkäuferinnen auf dem Markt lachen dann, weil sie meinen, ich träte als Weiße diese Kleidung doch massenweise an die Dritte Welt ab, und nun würde ich eben diese zurückkaufen. Dass diese unverblümte Ironie einen Funken Wahrheit beinhaltet, wurde mir erst in vollen Zügen bewusst, als ich plötzlich eine original XXL-Deutsche-Post-Uniform in den Händen hielt.

Eine weitere Auffälligkeit ist das Handy. Fast jeder Beniner besitzt eins und hat dieses ständig bei sich. Im krassen Gegenzug dazu steht die immer noch hohe Analphabetenrate — bei Männern beträgt diese 48 Prozent, bei Frauen 70 Prozent.

(RP)
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