Ballett im Duisburger Stadttheater Ritual und Rausch – von Techno bis Bach

Die neue Ballettproduktion „Lost and Found“ feierte Premiere in Duisburg. Mit Neshama Nashman wächst wohl ein großes Choreographie-Talent heran. Die weiteren Aufführungen sind in Düsseldorf zu sehen.

 Nicht nur beim „Love Song“ war den Zuschauern klar, bei einem ganz besonderen Abend dabei sein zu dürfen.

Nicht nur beim „Love Song“ war den Zuschauern klar, bei einem ganz besonderen Abend dabei sein zu dürfen.

Foto: DOR/Bernhard Weis

Nach acht Monaten pandemiebedingter Zwangspause kehrte am Wochenende auch das Ballett am Rhein Düsseldorf/Duisburg zurück. Die neue Ballettproduktion  „Lost and Found“ wurde jetzt zuerst in unserer Stadt gezeigt und enthält eine Reihe von Stücken, die das Licht der Bühne nur kurz oder noch gar nicht erblickt hatten. Den Rahmen des dreiteiligen Abends bilden zwei jeweils etwa 25-minütige Ensemblewerke.

Das eine ist „A simple piece“ von Demis Volpi, dem neuen Ballettdirektor und Chefchoreographen. Es wurde im Oktober 2020 in Düsseldorf uraufgeführt – und die kurz darauf geplante Duisburger Übernahmepremiere dann wegen Corona so kurzfristig verboten, dass der Bus mit der Compagnie schon in Düsseldorf losgefahren war und wieder umkehren musste.

Jetzt haben wir also endlich auch hier erlebt, wie kongenial Volpi die „Partita for 8 Voices“ von Caroline Shaw in Bewegungen umgesetzt hat. Schon alleine der Text und die einfallsreichen Gesangstechniken dieser Komposition wirken wie eine Aufforderung zum Tanz. Das andere Ensemblewerk ist „Salt Womb“ von Sharon Eyal auf erbarmungslos wummernde Technomusik von Ori Lichtik. Es treibt Ritual und Rausch in eine derartige Trance, dass man den Tanzenden die schier grenzenlose Freude daran anmerkt.

Dazwischen kommen insgesamt vier kürzere Stücke, bei denen jeweils maximal drei Personen mitwirken. Den Flirt mit dem Publikum in Volpis „Allure“ auf die Jazztrionummer „Good bait“ von Nina Simone beherrscht auch Doris Becker, die hier erstmals damit auftrat. Den ironisch-erotischen Pas de deux aus „Love Song“ von Andrey Kaydanovskiy auf „Ne me quitte pas“ von Jacques Brel, gesungen von Nina Simone, legen Feline van Dijken und Eric White luftig hin.

Sensationell wirken aber die beiden folgenden, „kleinen“ Choreographien auf Musik von Johann Sebastian Bach. Das junge Ensemblemitglied Neshama Nashman choreographierte so zwischen Training, Proben und Freizeit quasi „nebenbei“ auch noch das „Erbarme dich“ aus der Matthäuspassion als pathetisches Solo für ihren Kollegen, jetzt bei der Uraufführung war es Julio Morel. Da wächst dann wohl ein großes Choreographietalent heran.

Vielleicht wird Neshama Nashman mal so berühmt wie Hans van Manen, der seit über einem halben Jahrhundert immer wieder auch für das Ballett der Deutschen Oper am Rhein arbeitet. Hier ist er mit seinem 1997 uraufgeführten „Solo“ auf die Corrente mit Double aus Bachs Partita Nr. 1 h-Moll für Violine solo BWV 1002 vertreten.

Es ist auf drei Tänzer verteilt, überwiegend nacheinander, denn ein einzelner könnte die extrem schnellen und virtuosen Drehungen und Sprünge sicher nicht alleine bewältigen. In Duisburg erlebten wir jetzt die eindrucksvollen Rollendebüts von Tommaso Calcia, Miquel Martínez Pedro und James Nix. Der alte Meister aus den Niederlanden war selbst an den Rhein gekommen, um sein „Solo“ einzustudieren, und wurde vom Duisburger Publikum gefeiert.

Leider wird „Lost and Found“ nie wieder in Duisburg zu erleben sein. Es gibt aber noch drei Vorstellungen im Opernhaus Düsseldorf: am 25. und 26. Juni, jeweils um 19.30 Uhr, sowie am 27. Juni, um 18.30 Uhr.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort