Altstadt Geschnatter hinter Jan Wellems Rücken

Altstadt · In einer Serie zeigt die RP Kunst in den Stadtteilen. Heute: der Gänsebrunnen am Rathaus.

Der kleine Veit plätschert munter an dem Wasserstrahl, der dem bronzenen Aal aus dem Maul rinnt. Die lustigen Gänse daneben, denen ebenfalls erfrischendes Nass aus den Schnäbeln läuft, haben es dem Jungen auch angetan. Seine Mutter Veronika Gosling aus Rosenheim ist froh, dass sie den lustigen Brunnen auf dem Marktplatz vis à vis vom Rathaus entdeckt hat. Ihrem zweijährigen Sohn war es im nahen Café zu öde geworden. Das Quengeln fand am Gänsebrunnen von Willy Meller ein schnelles Ende. Der Kleine will nun gar nicht mehr weg von den zehn Fischen, drei Gänsen und eben dem Aal, die zusammen ein munteres Wasserspiel liefern. Die Skulptur war 1956 an der Front des neuen Verwaltungsgebäudes errichtet worden.

Auch Carlos Reis aus Lissabon gefällt der Brunnen. Er hat ihn im Gegensatz zu Mutter und Kind aus Bayern schon öfter aufgesucht, denn er ist häufig zu Gast in Düsseldorf. Und dann führt ihn sein Weg regelmäßig in die Altstadt und zum Brunnen, "one of my favourite places", wie er berichtet.

Allerdings sollte dieser vielleicht mehr in der Platzmitte stehen — würde er dann nicht dem Reiterstandbild Jan Wellems ins Gehege kommen. Denn Brunnenschöpfer Willy Meller (1887 bis 1974) hat Erinnerungen an historische Marktszenen eingearbeitet: neben den Fischen und dem Aal eben die schnatternden Gänse. Aber möglicherweise sollen die ja auch das Rathaus bewachen wie im antiken Rom einst das Capitol. Auch das Abstellgitter für Eimer, das ineinandergreifende Radschläger darstellt, ist eine Reminiszenz an den Markt. Zweimal im Jahr rückt übrigens die Altstädter Bürgergesellschaft an, um den Brunnen zu reinigen. Das macht der Verein schon seit 1970 so.

Wenige Jahrzehnte zuvor waren es weniger heitere Motive, denen sich Brunnenschöpfer Meller widmete. Nach Arno Breker und Josef Thorak galt er als einer der Staatsbildhauer des nationalsozialistischen Regimes. So schuf er unter anderem martialische Skulpturen für das Berliner Olympiastadion und für die NS-Ordensburg Vogelsang in der Eifel, einem gigantischen burgähnlichen Komplex, dessen Zukunft gerade diskutiert wird. Nach dem Krieg blieben die großen Aufträge für Meller wegen seiner früheren Nähe zum Nationalsozialismus aus. Doch schuf er weiterhin Skulpturen und Bauplastiken. Interessanterweise bekam er in den 1960er-Jahren den Auftrag, in Oberhausen ein Mahnmal für die Widerstandskämpfer gegen die Nazis zu entwerfen.

(RP)
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