Düsseldorf Vorhang auf für die Sterbehilfe

Düsseldorf · Das Theaterkollektiv Markus & Markus zeigt am Wochenende im FFT Juta eine Inszenierung von Ibsens "Gespenster". Das Stück über die Sterbehilfe haben sie mit einer Düsseldorferin erarbeitet, die sich in der Schweiz das Leben nahm.

Osvald ist nach Hause zurückgekehrt. Seine Mutter soll ihn mit Morphium vom Leiden erlösen, bevor seine schwere Krankheit ("Hirnerweichung") ihn hilflos macht. Das ist, ganz verknappt, die Handlung in "Gespenster", einem bürgerlichen Drama des Norwegers Henrik Ibsen aus dem Jahre 1882. Ein Stück über Sterbehilfe, würde man heute sagen.

Die Hildesheimer Theatertruppe Markus & Markus hat für ihre Adaption des Stückes die Bühnenfigur des Osvald mit einer realen Person besetzt, Margot aus Düsseldorf. Aber Margot ist tot. Sie fuhr im April 2014 in die Schweiz, nach Basel, um sich dort mittels einer vorbereiteten Betäubungs- und Giftinfusion das Leben zu nehmen. In der Schweiz und den Niederlanden ist aktive Sterbehilfe erlaubt, in Deutschland verboten. Die Theaterleute kontaktierten sie über einen Sterbehilfeverein, obgleich ihre Kontaktaufnahme zunächst auf Skepsis stieß, wie die Theatermacher berichten. Die Kontaktierten fürchteten einen "Werther-Effekt". Der Suizid des Protagonisten in Goethes "Die Leiden des jungen Werther" löste beim Erscheinen des Romans 1774 eine Welle von Selbstmordversuchen und Selbstmorden aus.

Markus Schäfer und Markus Wenzel haben sich dennoch entschieden, Margot einen Monat lang bis zu ihrem letzten Tag zu begleiten. "Sie hat bei unserem Stück praktisch die Regie geführt", sagt Markus Wenzel. "Wir sehen sie in Videosequenzen, sie hat Texte ausgewählt, Briefe und Tagebucheintragungen, die Blumen für das Bühnenbild ausgesucht." Und Ibsen? "Der war für uns das Sprungbrett. Natürlich sind wir dem Geist seines naturalistischen Theaters verpflichtet", sagt Wenzel. Bei Ibsen schaut der Besucher auf die Bühne wie in ein Wohnzimmer oder einen Salon, in dem sich die Dramen des Lebens abspielen.

Intensiv waren die Tage mit Margot, erzählen die Theaterleute. "Sie hat uns an ihre Lieblingsorte geführt, nach Burg Linn bei Krefeld, zum Gasthaus ,Alte Rheinfähre' in Kaiserswerth." Die Reaktionen des Publikums waren bei den ersten Aufführungen unterschiedlich. Kalt lässt die Umsetzung des schwierigen Themas niemanden. "Es kommt darauf an, welche Erfahrungen der Zuschauer mit dem Tod gemacht hat. Auch unsere Truppe hat unterschiedliche Reaktionen gezeigt", sagt Wenzel, "Dabei liegt es uns fern, zu schockieren. Wir fällen auch kein Urteil über die Sterbehilfe." Interessant werden wird es dennoch, die Reaktionen, die das Stück auslöst, zu beobachten. Diskussionswürdig ist wohl die These, dass in einem bestimmten sozialen Klima die Angst, anderen zur Last zu fallen, Auslöser der letzten Entscheidung sein kann. Ihre Ibsen-Adaption will das Kollektiv nicht als politische Aufarbeitung des begleiteten Suizids verstanden wissen, auch wenn ihre Theaterarbeit stets politisch wirkt. Absurde Komik bewahrt das Stück vor Pathos. Vor allem ist es ein Denkmal für eine schwer kranke Frau, die sich eine letzte Entscheidung vorbehielt. "Dass wir das Stück in Düsseldorf aufführen, ist etwas ganz Besonderes", sagt Wenzel. "Wir kehren an den Ort des Geschehens zurück."

(RP)
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