Analyse Dormagen und das Bau-Problem

Dormagen · Das Chaos im Eigenbetrieb der Stadt, der die Bauprojekte abwickelt, wird zum Problem für die dringenden Ziele: Umfangreiche Schulsanierungen inklusive Neubauten, Errichtung einer Dreifachhalle, Digitalisierung.

 Am größten Grundschulprojekt der Stadt, der Christoph-Rensing-Schule in Horrem, wurde ein Jahr nicht gearbeitet.

Am größten Grundschulprojekt der Stadt, der Christoph-Rensing-Schule in Horrem, wurde ein Jahr nicht gearbeitet.

Foto: Hogekamp, Lena (hoge)

Bauen ist das größte Problem in Dormagen. Sofern die Stadt, genauer gesagt der Eigenbetrieb, die Federführung hat. Kaum ein Projekt wird fristgerecht fertig, die Kosten steigen immens, Politik und Öffentlichkeit ereilen regelmäßig Negativ-Nachrichten aus diesem Bereich. Zuletzt am vergangenen Freitag mit einer weiteren Kostensteigerung beim Umbau der Sekundarschule in Höhe von einer Million Euro sowie einer verspäteten Fertigstellung des Lernortes Horrem. Rathausintern wird beim Eigenbetrieb ermittelt und vielleicht ein „Sumpf“ aus einer Mischung von Schludrigkeit, absichtlichem Zurückhalten von Informationen und schlichtweg schlechter Arbeit festgestellt. Denn stimmen die Informationen, die unserer Redaktion vorliegen, wurden dort offenbar regelmäßig wichtige Informationen einfach nicht weitergegeben,

Im Februar dieses Jahres sah es nach einem Höhepunkt der Pleiten-Serie des Eigenbetriebs aus, als die Stadt bei der Sekundarschule eine Kostenexplosion von 8,15 auf 14,5 Millionen Euro konstatieren musste. Doch am Freitag gab es noch einmal eine Schüppe oben drauf. Warum eigentlich? Nach vielen Warnzeichen wurde der Stadt-Tochter mit Dieter Skowasch Ende Dezember ein Berater an die Seite gestellt, das Großprojekt Sekundarschule und andere sollten die beiden externen Projektsteuerer lenken – die Erfolgsbilanz fällt jedoch mehr als mager aus.

Dass es im Eigenbetrieb nicht stimmt, diese Erkenntnis ist wahrlich nicht neu. In seiner Haushaltsrede im Dezember 2016 sprach Hans-Joachim Woitzik (Zentrum) von einer „offensichtlich überforderten Leitung“, von einer „schlechten Organisation und einer unfähigen Führungsebene“, die ausgetauscht werden müsse. Die SPD kritisierte deutlich zu hohe Kosten, Zeitverzögerungen und mangelnde Kommunikation an – im April 2018 ließ der ansonsten für seine ruhige Art bekannte Planungsausschussvorsitzende Carsten Müller (SPD) seinen Frust in Richtung Eigenbetrieb überdeutlich raus.

Es gibt genügend Beispiele, die Woitzik schon 2016 aufzählte: Reparatur der Heizungsanlage am Sportplatz Delrath („sagenhafte acht Monate Dauer“), die Errichtung von vier Klassencontainern an der Gesamtschule („ein Jahr statt drei Monate“) und die Fertigstellung von Flüchtlingsunterkünften („acht Monate anstatt acht Wochen“). CDU-Fraktionschef Kai Weber musste massiv auf große Mängel an der OGS in Rheinfeld hinweisen. Der Gipfel der unfassbaren Nicht-Leistungen: Bürgermeister Erik Lierenfeld muss jetzt einräumen, dass am Lernort Horrem „fast ein Jahr lang nicht weitergearbeitet wurde“.

Das Rechnungsprüfungsamt des Rhein-Kreis Neuss fällt in seinem Bericht über die Versäumnisse beim Sekundarschule-Projekt in sorgsam gewählten Worten ein in der Wirkung mehr als klares Urteil. Eigentlich auch für private Bauherrn eine Selbstverständlichkeit: „Bauvorhaben sollen erst begonnen werden, wenn sämtliche Planungen endgültig abgeschlossen sind.“ Peinlich wird es für die Beteiligten und Verantwortlichen an dieser Stelle: „Es dürfen nicht wiederholt immer die gleichen Fehler gemacht werden.“ Bei der Sekundarschule kamen (von verschiedenen Seiten) immer mehr Wünsche hinzu. Folge: „Der Bauherr weiß am Anfang nicht genau, was er will, definiert die Bauwünsche ungenau und begonnene Bauvorhaben wachsen während der Bauausführung stetig und werden damit komplexer.“

Wie hat die Rathausspitze mit der zuständigen Beigeordneten Tanja Gaspers und Lierenfeld reagiert? Lierenfeld weist darauf hin, dass ja „nicht nichts getan worden ist“. Man habe eine externe Organisationsuntersuchung veranlasst und neben strukturellen Maßnahmen auch mit mehr Personal reagiert. Aber „leider hat der Betriebsleiter die Umsetzung nicht geschafft. Daher gab es eine Umbesetzung.“ Der damalige, inzwischen gekündigte Betriebsleiter Uwe Scheler wurde zum Technischen Leiter und per Ausschreibung durch Frank Wolfgramm ersetzt. Aus den jetzt beginnenden Untersuchungen will Lierenfeld dann entsprechende Schlüsse ziehen. Kritisch sieht der Rathauschef die aufgeschobene Stellenausschreibung: „Wir befinden uns vor der Kommunalwahl und viele Parteien spekulieren auf ihr Besetzungsrecht. Das macht die Arbeit in der Verwaltung nicht leichter.“ Für den Stellenplan 2020 des Eigenbetriebs schlägt die Verwaltung fünf neue Mitarbeiter vor sowie die Umwandlung von zwei befristeten Stellen in feste Beschäftigungsverhältnisse.

Für CDU-Chef Weber ist klar: „Es gibt in der Verwaltung ein Führungsproblem.“ Seiner Meinung nach müsse jetzt Lierenfeld das Thema Eigenbetrieb zur Chefsache machen und bei den anstehenden Großbauprojekten zur Entlastung des Eigenbetriebs ÖPP (Öffentlich-Private-Partnerschaft) wieder eine Rolle spielen. Weber fragt: „Wie hoch ist eigentlich der finanzielle Schaden durch die vielen Verzögerungen?“ Als problematisch bezeichnet er die verschobene Ausschreibung für die Neubesetzung der Beigeordnetenstelle. „Wir werden in 2020 keinen Fachdezernenten für Finanzen haben“, glaubt er.

Wenn Bauen in Dormagen ein (auch imageschädliches) Problem ist, braucht das Rathaus einen Technischen Beigeordneten, den man jetzt suchen sollte? Kai Weber sagt nein, denn der neue Eigenbetriebsleiter Norbert Wolfgramm agiere de facto in einer solchen Funktion. Für die SPD ist klar, dass „viele, viele Dinge falsch gelaufen sind“, wie Fraktionsvorsitzender Andreas Behncke sagt. „Man kann das sicher nicht an nur einer Person festmachen.“ Bei der SPD will man jetzt erst einmal die internen Untersuchungen abwarten. Behncke: „Wir haben kein Patentrezept, wie es mit dem Eigenbetrieb weitergehen soll.“ Ob ein Technischer Beigeordneter eher Sinn mache als ein ausgewiesener Finanzexperte, „muss diskutiert werden“. Behncke weist aber daraufhin, dass „landauf, landab diese Spezialisten gesucht und kaum gefunden werden.“

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