Videokonferenz in Dinslaken Vom Leiden der Flüchtlinge auf Lesbos

Dinslaken · Karl Kopp von Pro Asyl informierte per Videoschalte nach Dinslaken über die Menschen in den griechischen Elendscamps. Scharf kritisierte er die europäische Flüchtlingspolitik.

 Migranten gehen nach einem starken Regenfällen durch das Flüchtlingslager Kara Tepe auf Lesbos, von vielen auch Moria 2.0 genannt.

Migranten gehen nach einem starken Regenfällen durch das Flüchtlingslager Kara Tepe auf Lesbos, von vielen auch Moria 2.0 genannt.

Foto: dpa/Panagiotis Balaskas

Der Europabeauftragte von Pro Asyl, Karl Kopp, ist im Evangelischen Kirchenkreis Dinslaken kein Unbekannter. Er war schon mehrfach hier zu Gast, um über die aktuellen Entwicklungen in der europäischen Flüchtlingspolitik zu berichten. Diesmal kam Kopp aber nicht persönlich, denn die Infoveranstaltung, zu der der Kirchenkreis gemeinsam mit der  Eine Welt Gruppe Dinslaken und dem Förderverein Kultur und Evangelische Kirche in Dinslaken  eingeladen hatte, wurde coronabedingt als Videokonferenz durchgeführt. Seit vielen Jahren engagiert Kopp sich für Flüchtlinge und ihr Recht auf Asyl. Doch das Bild, das er diesmal von den aktuellen Entwicklungen der Flüchtlingspolitik zeichnet, ist düster.

Am Beispiel der Insel Lesbos und dem Flüchtlingslager Moria erläuterte Kopp die gegenwärtigen Entwicklungen der Europäischen Flüchtlingspolitik klar und ungeschminkt. Das Lager, das spätestens durch den Brand im vergangenen Monat traurige Bekanntheit erlangte, sei, so Kopp, schon länger ein Modellversuch für die Flüchtlingspolitik. Das Flüchtlingslager, das neben weiteren griechischen Lagern als völlig überfüllter Hotspot seit mehreren Jahren betrieben wird, mache  Griechenland zu einem Labor für den Umgang mit Flüchtlingen. Dieses Lager, so Kopp, „ist ein Desaster und ein Armutszeugnis für Europa. Es bietet nur Abgrund. Es gibt keine Menschenwürde und Rechtsstaatlichkeit.“ Denn es war bis zu dem Brand hoffnungslos überbelegt, es gab kaum medizinische Versorgung und katastrophale hygienische Bedingungen.

Aktuell wird wegen der Zerstörung des Lagers Moria durch das Feuer ein neues Lager auf dem ehemaligen Militärstützpunkt Kara Tepe errichtet, von vielen Moria 2.0 genannt. Es sei nur ein Übergangslager, sagt der Hochkommissar der Vereinten Nationen für Flüchtlinge (UNHCR). Dieses Lager werde konzipiert als Kontrolllager, mit noch weniger Infrastruktur als vorher (ohne medizinische Versorgung, mit einer Essensration pro Tag), mit hohen Schutzzäunen und massiver Polizeipräsenz.

Nach den Vorstellungen der griechischen Regierung soll dieses Lager ersetzt werden durch ein besseres Lager, das aber auch ein Haftlager werden wird. Solche Lager planen die Griechen auf allen fünf Inseln, auf denen es Hotspots gibt.

Und Europa lobt in seinen Stellungnahmen Griechenland für diese Politik, die die Grenzen – auch unter Anwendung von Gewalt – radikal dicht mache. Griechenland wurde im März von Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen von der EU als „Schutzschild Europas“ bezeichnet. Denn es gehe nach den Erfahrungen von 2015 vor allem um eines: die Verringerung der Flüchtlingszahlen und dass Geflüchtete in die EU kommen. Europa halte, so der Redner. an dem Konzept der geschlossenen Lager fest. Dazu komme das immer brutalere Vorgehen gegen Flüchtlinge auf See. Europa selbst betreibe keine Seenotrettung. Die sei an die libysche Küstenwache delegiert worden, die auch vor den berüchtigten „push-backs“ nicht zurückschrecke. Dabei würden Flüchtlinge auf See aufgegriffen und zurückgeschleppt in die libyschen Folterlager.

Dieser Deals Europas mit Libyen, so Kopp, sei der „blutigste Deal von allen Deals im Rahmen der Flüchtlingspolitik und müsse aufhören“. Hier werde die europäische Menschenrechtskonvention täglich verletzt.

Besonders besorgte Nachfragen an Karl Kopp drehten sich bei der Veranstaltung um das Pikpa-Camp auf Lesbos. Es ist ein kleines Flüchtlingscamp der Nichtregierungsorganisation Lesbos Solidarity, das 2018 von einer Delegation des Evangelischen  Kirchenkreises und des Eine-Welt-Ladens Dinslaken besucht worden war. Kopp berichtete, dass dieses „Leuchtturmprojekt“, in dem besonders verletzliche Flüchtlinge (Kinder, Schwangere, Kranke) untergebracht sind, nach dem Willen der Regierung geschlossen werden soll.

Vier deutsche Landeskirchen haben sich in einem Brief an die griechische Regierung und an Horst Seehofer für den Erhalt dieser Anlaufstelle für besonders Gefährdete ausgesprochen. „Wo solche Projekte kaputt gemacht werden“ so Karl Kopp, „wird immer auch ein Stück Hoffnung zerstört.“ Aber er setze auf die Solidarität der Zivilgesellschaft und den internationalen Widerstand, so dass das Camp doch noch bleiben könne.

(lev)
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