Einbruchserie im Eifel-Ort Roetgen Ein Dorf in Unruhe

Roetgen · Eine Gemeinde in der Eifel erlebt seit Dezember eine beispiellose Einbruchserie. Jeder kennt in Roetgen jemanden, bei dem die Täter schon waren. Die sind so dreist, dass auch Hunde sie nicht abschrecken. Und sie scheinen gut über die Gewohnheiten der Bewohner informiert zu sein.

Einbruchserie alarmiert Bewohner der Gemeinde Roetgen
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Einbruchserie alarmiert Bewohner der Gemeinde Roetgen

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Foto: Christoph Reichwein (crei)

Wer in Roetgen lebt, hat sich die Ruhe ausgesucht. Die Gemeinde liegt im Norden des Naturparks Hohes Venn-Eifel am Flüsschen Weser. Etwa 8500 Menschen wohnen hier oder in einem der dazu gehörenden Dörfer Rott und Mulartshütte. Die Einfamilienhäuser stehen frei, und gleich dahinter beginnt der Wald. Roetgen gehört zur Städteregion Aachen und ist umgeben von einem der größten zusammenhängenden Waldgebiete Nordrhein-Westfalens. Der Wanderweg Eifelsteig führt mitten hindurch, die belgische Grenze ist nur einen Steinwurf entfernt.

Doch die Abgeschiedenheit und die Nähe zum dichten Wald fühlen sich für einige Bewohner inzwischen bedrohlich an. Denn seit Anfang Dezember steht Roetgen im Fokus einer beispiellosen Einbruchserie. 24 Mal sind die Täter inzwischen in Häuser eingestiegen. Dazu kommen einige Versuche. Im Durchschnitt gab es an jedem zweiten Tag eine Tat. „Ich traue mich hier gar nicht mehr weg“, sagt eine ältere Frau, die in Rott wohnt. In beiden Nachbarhäusern waren die Einbrecher schon. „Man kann nur alles verriegeln und verrammeln und einen Nachbarn bitten, aufzupassen, wenn man zum Einkaufen fährt“, sagt sie.

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Die Täter brauchen nicht viel Zeit, um Chaos anzurichten und alles einzupacken, was nicht besonders schwer ist, aber wertvoll: Schmuck, Armbanduhren und Bargeld. Einmal haben sie die Zeit genutzt, in der eine Frau nur mal eine Runde mit dem Hund draußen war. Ein anderes Mal brachen sie in ein Haus ein, während die Bewohner abends ein Restaurant besuchten. Das Ehepaar ist eigentlich jeden Abend zu Hause, immer. Nur an diesem Abend waren die beiden mit den Kindern essen, wie ein Nachbar erzählt. Die Polizei geht deshalb davon aus, dass die Täter die Häuser genau auskundschaften, bevor sie zuschlagen.

„Sie nutzen die dunklen Nachmittags-und Abendstunden und kommen meist von hinten über die Gärten unbemerkt an die Häuser“, sagt eine Sprecherin der Polizei Aachen. Eine heiße Spur haben die Ermittler noch nicht. „Im Aachener Bereich können wir nicht ausschließen, dass die Täter aus der Grenzregion kommen“, sagt die Sprecherin. Die belgischen Ermittlungsbehörden seien informiert. „Es könnten aber auch reisende Täter aus Osteuropa sein.“ Die Steigerung der Fallzahlen ist enorm: Im Jahr 2020 gab es in der Gemeinde insgesamt 24 Einbrüche – so viele wie nun innerhalb eines Monats. Die Anwohner sind nervös und sensibilisiert: Wer nicht in den Ort gehört, wird sofort angesprochen. Kennzeichen werden notiert und verdächtige Beobachtungen in einer WhatsApp-Gruppe geteilt, in der etwa 25 Nachbarn sich austauschen. Und trotzdem konnten die Täter bisher immer entkommen.

In einer ruhigen Sackgasse steht das Haus von Wilfried Hauten. Hier hebelten die Einbrecher am 11. Dezember ein Wohnzimmerfenster auf und drehten das ganze Haus auf Links. „Alle Schubladen waren umgekippt, alles aus sämtlichen Schränken herausgerissen“, sagt der 68-Jährige. Er war mit seiner Frau eingeladen an diesem Abend. „Wir kamen erst nachts zurück, die Täter hatten also alle Zeit der Welt.“ Sie nahmen Geld und Schmuck mit, und auch sonst alles, was ihnen irgendwie wertvoll erschien. Der Schaden: Etwa 30.000 Euro. „Auch eine Taschenuhr meines Großvaters mit persönlicher Widmung ist weg, die sollte eigentlich mein Sohn erben“, sagt Hauten. „Solche persönlichen Dinge schmerzen natürlich am meisten.“

Hautens Hündin Bella war im Haus, als die Einbrecher kamen. Ein Hund ist eigentlich die beste Alarmanlage. Doch die Täter haben sich in Roetgen und Rott schon mehrmals nicht von Hunden abschrecken lassen. Dabei ist Bella ein stattliches Tier. Der Bobtail wiegt knapp 30 Kilogramm und hat „mit Sicherheit gebellt wie bekloppt“, wie Hauten sagt. „Sie ist sehr aufmerksam, aber total lieb.“ Er ist froh, dass die Täter seiner Bella nichts getan haben.

Inzwischen hat die Polizei einige Spuren und Ermittlungsansätze, die vielversprechend sind, wie die Sprecherin der Aachener Polizei sagt. Dazu gehört etwa ein Video, aufgenommen von einer Überwachungskamera an einem Haus. Es zeigt zwei junge Männer, schätzungsweise zwischen 20 und 30 Jahre alt, die mit schwarzen Rucksäcken am Haus vorbeigehen. Einer trägt eine Jacke mit Camouflage-Muster und blickt kurz direkt in die Kamera. Ein Nachbar hat die beiden am selben Abend auch gesehen, an einem anderen Haus. Wer sie sind, ist noch unklar.

Mitte Januar wurde bei Hautens direkten Nachbarn eingebrochen. Es war frostig und die Nachbarin konnte die Schuhabdrücke der Täter im Gras fotografieren. „Sie hat dann im Internet so lange gesucht, bis sie die Sohlen gefunden hat und Marke und Modell der Polizei mitgeteilt“, sagt Hauten. Die Ermittler reagieren unter anderem mit Präsenz und schicken Streifenwagen, aber auch Zivilfahnder in die Dörfer. Am Freitag waren rund 50 Hundertschafts- und Zivilbeamte in Rott im Einsatz. Sie kontrollierten an den Dorfeinfahrten jedes Fahrzeug, das ihnen verdächtig erschien. Roetgens Bürgermeister Jorma Klauss schaute vorbei und Aachens Polizeipräsident Dirk Weinspach. „Die Polizei wird alles tun, um diese Einbruchsserie zu beenden“, versprach Weinspach. Eine Frau beobachtete die Polizeikontrollen mit ihrem Dackel. „Hoffentlich hilft’s“, sagte sie.

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