Münchner Missbrauchsgutachten Aachener Bischof fordert öffentliches Schuldeingeständnis von Benedikt XVI.

Aachen · Der Aachener Bischof Helmut Dieser hat nach den Enthüllungen des Münchner Missbrauchsgutachtens in der Sonntagspredigt im Aachener Dom ein öffentliches Schuldeingeständnis des emeritierten Papstes Benedikt XVI. eingefordert.

Bischof Helmut Dieser sagte in seiner Predigt, das Ausmaß von Versagen bei den Bischöfen mache ihn „traurig, aber auch wütend“. (Archivfoto)

Foto: Krebs, Andreas (kan)

In seiner Predigt im Aachener Dom sagte Dieser am Sonntag: „Es kann nicht dabei bleiben, dass Verantwortliche sich flüchten in Hinweise auf ihr Nichtwissen oder auf damalige andere Verhältnisse oder andere Vorgehensweisen. Denn deswegen wurden doch damals Täter nicht gestoppt und Kinder weiter von ihnen missbraucht! Auch Bischöfe, auch ein ehemaliger Papst, können schuldig werden, und in bestimmten Situationen müssen sie das auch öffentlich bekennen, nicht nur im Gebet vor Gott oder im Sakrament in der Beichte.“

Helmut Dieser - der in der Deutschen Bischofskonferenz dem Lager der Reformer zugerechnet wird - sagte in seiner Predigt, das Ausmaß von Versagen bei den Bischöfen mache ihn „traurig, aber auch wütend“. Das gleiche gelte für die „Unfähigkeit, die eigene Verantwortung bei sich selbst zu spüren und Schuld einzugestehen und Vergebung zu erbitten oder wenigstens Bedauern und Schmerz über den eigenen Anteil an der Tragödie auszudrücken. Dass auch der frühere Papst Benedikt das noch nicht getan hat, darf nicht sein letztes Wort dazu sein!“

Das am Donnerstag vorgestellte Gutachten bescheinigt mehreren Münchner Erzbischöfen und weiteren Angehörigen der Bistumsleitung Führungsversagen im Umgang mit Missbrauchstätern sowie fehlende Sorge für die Geschädigten. Die Studie erhebt in diesem Zusammenhang auch Vorwürfe gegen den früheren Papst Benedikt XVI./Joseph Ratzinger, der von 1977 bis 1982 dem Erzbistum München-Freising vorstand.

Der Würzburger Bischof Franz Jung zeigte sich offen für eine staatlich eingesetzte Wahrheitskommissionen zur Aufarbeitung von Missbrauch. Auf diese Weise werde die Verantwortung in die Hände des Staates und der geltenden Gesetzgebung gelegt, sagte er der "Main-Post" (Samstag). So könnte gezeigt werden, dass Kirche keine Sonderwelt sei.

Jung sagte zudem, im Fokus stünden nun die noch lebenden Verantwortungsträger: "An ihnen ist es, sich zu den dargestellten Vorgängen zu verhalten und sich ihrer damit einhergehenden persönlichen Verantwortung zu stellen."

Bereits am Freitag hatte der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Bischof Georg Bätzing, angesichts der Ergebnisse des Missbrauchsgutachtens Scham bekundet. Der Limburger Bischof sprach von einem "desaströsen Verhalten" und erwähnte in diesem Zusammenhang ausdrücklich auch Benedikt XVI. Weiter betonte Bätzing: "Vertuscht, verdeckt wurde lange genug." Jetzt sei die Zeit der Wahrheit.

Zuvor hatte auch der Osnabrücker Bischof Franz-Josef Bode gefordert, dass sich der emeritierte Papst nochmals äußern müsse. In der Zeit, als Ratzinger Erzbischof von München gewesen sei, habe in der Kirche die Täter- und Institutionsperspektive im Vordergrund gestanden, so Bode weiter. "Das weiß ich selber aus meiner langen Bischofszeit, und das wird hier noch mal in einer drastischen Weise deutlich."

Bei einer Mahnwache in Essen versammelten sich am Freitagabend nach Bistumsangaben rund 50 Menschen. Bischof Franz-Josef Overbeck und Generalvikar Klaus Pfeffer hätten das Gespräch mit ihnen gesucht. Overbeck hatte den emeritierten Papst als erster deutscher Bischof aufgefordert, sich zu den Ergebnissen des Münchner Gutachtens "zu verhalten".

(felt/bora/dpa/KNA)