Hochschule Orientierung im digitalen Dauerfeuer

Wie nutzen Studierende Online-Tools und soziale Medien? Wie lernen sie heute? Das Projekt „You(r) Study“ gibt Antworten.

 Studierende haben heute durch die digitalen Medien einen hohen Kommunikationsaufwand. Ständig prasseln Informationen über die sozialen Netzwerke auf sie ein.

Studierende haben heute durch die digitalen Medien einen hohen Kommunikationsaufwand. Ständig prasseln Informationen über die sozialen Netzwerke auf sie ein.

Foto: Damian Gorczany

In der Cloud gemeinsam an Dokumenten arbeiten, sich mit Kommilitonen über Messenger-Dienste vernetzen und sich in Videos die Zusammenhänge erklären lassen, die man in der Vorlesung nicht verstanden hat – die digitale Revolution hat Studierenden eine Fülle von Angeboten gebracht, mit denen sich das Lernen womöglich erleichtern lässt. Aber welche davon nehmen sie tatsächlich in Anspruch, und welche Vor- und Nachteile bringt das mit sich? Mit diesen Fragen beschäftigt sich das Projekt „You(r) Study“, das das Bundesministerium für Bildung und Forschung seit März 2017 fördert und an dem gleich mehrere Universitäten beteiligt sind.

Die Wissenschaftlerinnen erfassen Praktiken und Muster im Umgang mit Medien und fragen nach den Motiven für deren Nutzung oder Nichtnutzung. „Ein wichtiges Ergebnis ist, dass Studierende Medien völlig selbstverständlich nutzen“, sagt Gesamtprojektleiterin Sandra Hofhues von der Uni Köln. „Sie denken nicht mehr dauernd über ihre Mediennutzung nach und sie reflektieren ihre Mediennutzung in diesem Sinne auch nicht.“ Allerdings sehen sich die Studierenden einer solchen Fülle von digitalen Angeboten gegenüber, dass manches sie gar nicht erreicht.

Ein Beispiel dafür ist die Plattform Moodle, ein Onlinetool, über das Lehrende zum Beispiel Seminar- oder Vorlesungsunterlagen zur Verfügung stellen können. „Unsere Untersuchungen in Kooperation mit Kollegen der Informatik zeigen: Zum Vorlesungsbeginn stiegen die Zugriffszahlen sprungartig an, anschließend nahmen sie sehr stark ab. Die meisten Studentinnen und Studenten loggen sich im Durschnitt weniger als einmal am Tag ein“, so Hofhues.

Auch wenn man Moodle nutzen könnte, um Daten auszutauschen, tummeln sich Studierende dafür eher auf anderen Plattformen, weil diese für sie schlicht komfortabler sind. Sandra Aßmann von der Ruhr-Universität Bochum hat wie ihre Kolleginnen für das Projekt Gruppendiskussionen mit Studierenden durchgeführt. Sie sieht durchaus auch Nachholbedarf bei den Lehrenden und im Curriculum: „Vermutlich müssten wir zu Beginn des Studiums Kurse anbieten, wie man Moodle sinnvoll nutzen kann“, stellt die Forscherin fest. „Vieles ist derzeit Learning by Doing“. Außerdem wäre es hilfreich, wenn die Plattform komfortabler würde, zum Beispiel einen gut funktionierenden Instant-Messenger-Dienst anbieten würde. Dann könnte man vermeiden, dass sich private und universitäre Unterhaltungen in WhatsApp in die Quere kämen.

Überhaupt WhatsApp: Dem Instant-Messenger-Dienst kommt ein besonderer Stellenwert zu. „Ohne WhatsApp kann ich nicht studieren“ – dieser Satz fiel durchaus in Gesprächen der Forscherinnen mit den Studierenden. Gerade zu Beginn des Studiums bietet der Dienst eine Möglichkeit, sich mit den neuen Bekannten zu vernetzen. Er ist zudem ein Raum, um Anfängerfragen stellen zu können und sich dadurch im neuen Umfeld sicherer zu fühlen. So treten viele Erstsemester großen WhatsApp-Gruppen mit vielen Teilnehmern bei. Im Lauf des Studiums geht der Trend dann zu kleineren Gruppen, die für die Organisation von Lerngruppen oder zum Vorbereiten eines Referats genutzt werden.

 „Allerdings wird WhatsApp auch kritisch gesehen“, sagt Sandra Aßmann. „Nicht jeder hat Lust, ständig von den Kommilitonen kontrolliert zu werden, was er oder sie schon gemacht hat, und auch am Wochenende oder Abend permanent Nachrichten aus den Unigruppen zu empfangen.“ Um das in den Griff zu bekommen, führten einige Studierende Sprechzeiten in ihren WhatsApp-Gruppen ein oder bestimmten einen Admin, der die Gruppe nur zu bestimmten Zeiten aktiv schaltete.

Ein großes Problem der Virtualität, die „You(r) Study“ zu Tage gefördert hat: Die Orientierungsproblematik der Studierenden zu Beginn des Studiums wird nicht abgebaut, sondern verstärkt. „Sie müssen sich mit vielen Angeboten beschäftigen, die alle digital auf sie einprasseln. Der Kommunikationsaufwand ist für Studierende sehr hoch“, sagt Projektleiterin Sandra Hofhues. „Früher hat man sich in der Cafeteria oder der Bibliothek getroffen, um sich auszutauschen. Heute gibt es daneben online Gruppen fürs Tutorium, für die Exkursion, für ein Referat, dazu posten die Universität oder der Studiengang alle möglichen Informationen auf Instagram und Facebook.“ 

Trotz aller digitalen Angebote im Studium gibt es übrigens immer noch Situationen, in denen Studierenden Stift und Zettel lieber sind als Laptops – zum Beispiel für Mitschriften von Vorlesungen, an deren Ende eine Prüfung steht. Durch das Mitschreiben könnten sie sich die Inhalte besser merken.

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