Junge Fachkräfte Handwerkerinnnen als Influencer

Arbeitshose statt Designerkleid und Maurerkelle statt Make-up-Pinsel: Einige junge Frauen stellen auf Social Media nicht etwa Modetrends, sondern ihren Handwerksberuf vor.

   Luisa Lüttig ist Steinbildhauerin und Steinmetzin und stelt ihre Arbeit regelmäßig auf Instagram vor.

Luisa Lüttig ist Steinbildhauerin und Steinmetzin und stelt ihre Arbeit regelmäßig auf Instagram vor.

Foto: dpa-tmn/herzblutfotografie

Eine junge Frau, die mit Wasserwaage posiert oder ein Bagger im Sonnenuntergang: Unter dem Hashtag „handwerk“ sind allein auf Instagram weit über zwei Millionen solcher und ähnlicher Beiträge zu finden. Dabei posten nicht nur Unternehmen ihre Arbeit online – viele Handwerkerinnen und Handwerker nutzen die Plattform, um ihren Beruf auf oft kreative und persönliche Art vorzustellen. Darunter sind einige Frauen mit zum Teil hunderttausenden Followern. Doch was bedeutet es, Handwerksinfluencerin zu sein? Wie viel Aufwand ist es und was springt am Ende dabei raus?

Mit mehr als 110.000 Followern gehört Sandra Hunke auf Instagram zu den Handwerksinfluencerinnen mit sehr großer Reichweite. Auf ihrem Account wechseln sich Baustellenfotos mit professionellen Aufnahmen von Hunke in Kleidern oder Bikini ab. Denn die 30-Jährige ist beides: Anlagenmechanikerin für Sanitär-, Heizungs- und Klimatechnik und Model.

„Mein Arbeitsalltag besteht zu 50 Prozent aus Handwerk und zu 50 Prozent aus Modeln“, sagt Hunke. Die meiste Social-Media-Arbeit findet erst nach Feierabend statt: Selbst, wenn auf der Baustelle pünktlich um 16.30 Uhr Schluss ist, ist Hunke oft noch bis 22 oder 23 Uhr mit Social Media beschäftigt. Dann werden Nachrichten beantwortet, Fotos bearbeitet, Videos geschnitten und neue Posts erstellt.

Bohrhammer statt Nagelfeile: Sandra Hunke ist Anlagenmechanikerin für Sanitär-, Heizungs- und Klimatechnik und zeigt sich auf Social Media auch in ihrer Arbeitskluft.

Bohrhammer statt Nagelfeile: Sandra Hunke ist Anlagenmechanikerin für Sanitär-, Heizungs- und Klimatechnik und zeigt sich auf Social Media auch in ihrer Arbeitskluft.

Foto: dpa-tmn/Sandra Hunke

An ihren freien Tagen zeigt die Anlagenmechanikerin ihren Followern, wie sie private Bauprojekte an ihrem Haus oder bei Freunden umsetzt. Noch dazu hat sie das Kinderbuch „Bella Baumädchen“ mitgeschrieben, mit dem sie bereits Kinder fürs Handwerk begeistern möchte.

Luisa Lüttig ist erst seit knapp zwei Jahren auf Instagram als „Stein_Fluencerin“ aktiv. Sie hat mittlerweile ihren Meister als Steinbildhauerin und Steinmetzin gemacht und zeigt auf Fotos und Videos ihre Arbeit, beispielsweise wie sie Grabsteine und Tierfiguren bearbeitet. „Ich habe als Gesellin angefangen, Fotos zu posten, und gemerkt, wie sehr es die Leute interessiert“, erzählt Lüttig. Einige hätten den Beruf erst durch sie kennengelernt. Inzwischen folgen der jungen Steinmetzin mehr als 3000 Menschen.

Es brauche Selbstbewusstsein, sich vor die Kamera zu stellen und seine Arbeit einem breiten Publikum zu erklären, sagt Lüttig. Letztendlich gefalle es ihr aber, anderen zeigen zu können, wie schön das Handwerk ist. „Die jungen Leute kommen nicht mehr ins Handwerk, also komme ich mit Social Media zu ihnen.“

Beide Handwerkerinnen haben die gleiche Hauptmotivation, nämlich vor allem Mädchen und Frauen das Handwerk näherzubringen und ihnen zu zeigen: „Ihr könnt das schaffen.“ Lüttig kommt selbst aus einer Handwerksfamilie, sie arbeitet im Betrieb ihrer Eltern. „Hätte ich diesen Bezug nicht, weiß ich nicht, ob ich im Handwerk gelandet wäre“, sagt die junge Frau.

Instagram könne durchaus eine wertvolle Quelle zur Inspiration bei der Berufsfindung sein, sagt Heike Jahncke, Dozentin für Berufs- und Wirtschaftspädagogik an der Universität Oldenburg. Jugendliche brauchen ihr zufolge Vorbilder, und wenn diese nicht im direkten Umfeld zu finden seien, könnten Influencer womöglich diese Rolle einnehmen. Trotzdem haben das familiäre Umfeld und praktische Erfahrungen den bedeutendsten Einfluss, wenn es um die Berufswahl geht.

Steinmetzin Luisa Lüttig schlägt vor: „Einfach ausprobieren!“ Sowohl Interessierte als auch Eltern könnten schließlich Praktika machen und so Beruf und Arbeitsumfeld aus nächster Nähe kennenlernen. Von Vorurteilen sollte man sich ebenfalls nicht abschrecken lassen. „Handwerk hat einen goldenen Boden“, sagt Sandra Hunke gerne mit Blick auf die Verdienstchancen. Handwerker seien gefragt und nach einer Ausbildung warte oft gutes Gehalt.

Obwohl die Anlagenmechanikerin als Model noch mehr verdienen könnte, sagt sie: „Das Handwerk steht an oberster Stelle.“ Influencerin möchten weder sie noch Luisa Lüttig hauptberuflich sein. „Es geht mir darum, den Beruf näherzubringen, nicht mich“, sagt die Steinmetzin.

Dass man mit Instagram und Co. dennoch viel bewirken kann, merkt Lüttig vor allem, wenn sie Kollegen um Rat fragen oder ihr Jugendliche online Fragen zu ihrem Beruf stellen. „Ich konnte darüber schon mehrere Praktika und sogar eine Ausbildungsstelle vermitteln.“

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