Misstrauen am Arbeitsplatz Wissen vor den Kollegen geheim halten

Stellt er sich einfach dumm oder weiß er die Antwort tatsächlich nicht? Wo Informationen und Kenntnisse in beruflichen Kontexten bewusst für sich behalten werden, spricht man vom Knowledge Hiding. Was hilft dagegen?

 Manche wollen etwa ihr Wissen nicht mit Kollegen teilen, damit sie ihren Expertenstatus behalten.

Manche wollen etwa ihr Wissen nicht mit Kollegen teilen, damit sie ihren Expertenstatus behalten.

Foto: dpa-tmn/Christin Klose

Ohne die Hilfe von Kollegen geht es im Beruf oft nicht weiter. Blockt ein Teammitglied ab oder behauptet, die Antwort nicht zu kennen, spricht man von Knowledge Hiding – der bewussten Zurückhaltung von Wissen, das eine andere Person anfragt. „Viele Menschen kennen den Begriff nicht, aber wenn ich es erkläre, sagen alle: Ja, das habe ich schon mal erlebt oder selbst betrieben“, sagt Florian Offergelt, Assistenz-Professor für Leadership and Organizational Knowledge Management an der österreichischen Privatuni Schloss Seeburg.

Unterschieden wird zwischen verschiedenen Formen von Knowledge Hiding. Wenn jemand so tut, als hätte er keine Antworten, bezeichne man das als sich dumm stellen – „playing dumb“, sagt Offergelt. Eine zweite Form ist das „Evasive Hiding“, also ausweichendes Verhalten. Die dritte Form ist „Rationalised Hiding“, also rationalisiertes Verstecken von Informationen, die nicht weitergegeben werden dürfen. Hinter Knowledge Hiding stecke also nicht immer böse Absicht. Wenn es um Gehaltsinformationen oder Patientendaten gehe, könne es durchaus geboten sein, Informationen für sich zu behalten.

Ein anderer Grund: Manche Menschen hätten Angst, ihren Expertenstatus zu verlieren, sagt Offergelt. „Sie wollen sich nicht ersetzbar machen, indem sie Wissen teilen. Manche Personen entwickeln ein regelrechtes Besitzanspruchsdenken an ihr Wissen. Das wird dann Territorialität genannt.“

Es könne tatsächlich persönliche Vorteile mit sich bringen, Informationen nicht zu teilen, sagt Laura Venz, Professorin für Arbeits- und Organisationspsychologie an der Leuphana Universität Lüneburg. „Wenn ich in einem Team arbeite, in dem eine Ellenbogenmentalität herrscht, und ich weiß, dass nur eine Person befördert werden kann, behalte ich Dinge vielleicht eher für mich.“

Wenn Arbeitsbelastung und Zeitdruck im Unternehmen sehr groß sind, fehlen teilweise auch einfach Zeit und Energie, um Anfragen zu beantworten. „Selbst wenn ich gerne helfen würde, kann es sein, dass ich keine Kapazitäten dafür habe“, sagt Venz.

Andere Auslöser für Knowledge Hiding haben ihre Ursache im sozialen Bereich – zum Beispiel in Feindseligkeiten unter Kollegen. Vielleicht möchte man es jemandem heimzahlen, der selbst Wissen für sich behalten hat. So könne sich eine Kettenreaktion von missgünstigem Verhalten und ein Klima des Misstrauens entwickeln, sagt der Wirtschaftswissenschaftler Sebastian Mangold, der zum Thema promoviert hat.

Das Verbergen von Wissen kann laut Florian Offergelt auf finanzieller Ebene erhebliche Auswirkungen. „Es gibt Hochrechnungen, die besagen, dass allein bei den 500 umsatzstärksten Unternehmen der USA durch nicht geteiltes Wissen jedes Jahr bis zu 30 Milliarden Dollar Opportunitätskosten entstehen“, sagt der Wissenschaftler. Zu diesen entgangenen Gewinnen komme es etwa, weil Trends verschlafen werden oder Mitarbeiter eine verringerte Arbeitsleitung zeigen. „Menschen, die Opfer von Knowledge Hiding werden oder es selbst betreiben, haben eine niedrigere Arbeitszufriedenheit, sind weniger kreativ und haben eher die Absicht zu kündigen.“

Knowledge Hiding direkt anzusprechen, sei aber oft gar nicht so einfach, sagt Laura Venz. Wer weiß schon, ob Kollegen Wissen tatsächlich absichtlich zurückhalten? Trotzdem sei ein offenes Ansprechen der eigenen Wahrnehmung generell die beste Strategie. Dabei sollten keine Verallgemeinerungen („immer“, „nie“) und keine Vorwürfe gemacht werden, rät sie.

Wer bei sich selbst Tendenzen zum Knowledge Hiding bemerkt, sollte erst einmal bei sich selbst nach den Gründen fragen. „Wenn ich eigentlich gerne Wissen teilen würde, aber mir Zeit und Kraft fehlen, wäre es wichtig, das zu kommunizieren und zu sagen: Jetzt geht es gerade nicht. Können wir einen Termin vereinbaren?“, erläutert Venz.

Oft liegen die Gründe aber auf Organisationsebene. „Da braucht es einen Kulturwandel“, sagt Venz. Sie empfiehlt, bei Beförderungen und Leistungsverteilungen anzusetzen. „Wenn immer automatisch jemand auf dem ersten und auf dem letzten Platz landet, befeuert das den Konkurrenzdruck und Knowledge Hiding.“ Stattdessen sollten Mitarbeiter gefördert werden, die Wissen teilen und zusammenarbeiten.

Ein weiterer Ansatzpunkt sei die Arbeitsbelastung. „Es müssen die nötigen Ressourcen zur Verfügung stehen, damit Wissen geteilt werden kann“, sagt Offergelt.

Auch die Vorbildfunktion der Führungskräfte spielt eine wichtige Rolle. Wenn diese das Signal aussenden, dass Knowledge Hiding nicht nur toleriert, sondern sogar erwünscht ist, orientiert sich die Mitarbeiterschaft daran.

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