Berufsporträt Experte für Tausende Schmetterlingsarten

Im weißen Kittel im Labor oder auf Exkursion am Äquator: Die Insektenforschung ist vielfältig. Matthias Nuß hat einst als ungelernte Arbeitskraft im Obstbau begonnen und später als Entomologe promoviert.

 Schmetterlingsforscher Matthias Nuß ist Leiter der Sektion Lepidoptera am Senckenberg Museum für Tierkunde.

Schmetterlingsforscher Matthias Nuß ist Leiter der Sektion Lepidoptera am Senckenberg Museum für Tierkunde.

Foto: Matthias Rietschel/dpa-tmn/Matthias Rietschel

Was macht ein Entomologe? Er erforscht Insekten. Und was sind Lepidoptera? Das ist der wissenschaftliche Name für die Schmetterlinge. 500.000 Schmetterlingsarten finden sich Schätzungen zufolge auf der Erde, bislang sind etwa 160.000 Arten beschrieben. Entomologe Matthias Nuß vom Museumsverbund Naturhistorische Sammlungen Dresden gibt einen Einblick in seine Beschäftigung mit den zarten Flügeltieren.

Der Weg in den Job Das Interesse an Natur, an Tieren und Pflanzen war bei mir schon in der Kindheit ausgeprägt. Ich hatte früh ein Aquarium, später ein Terrarium. Meine Begeisterung für Schmetterlinge begann in der achten Klasse. Hier eröffnete sich eine neue Welt aus mehreren tausend Arten, deren Larven an allen heimischen Pflanzen zu finden sind, und es war klar, dass es auf lange Zeit viel zu entdecken geben wird.

Mein Weg in den Beruf war ungewöhnlich. Ich bin zu DDR-Zeiten zur Schule gegangen, ich war nicht frei in meinen Entscheidungen und wurde als Kartograf ausgebildet. Den Job habe ich gekündigt und als ungelernte Arbeitskraft im Obstbau angeheuert, später ein Gartenbaustudium absolviert. Obstbau, Pflanzenschutz – das fand ich spannend. Erst für meine Promotion habe ich mich mit Schmetterlingen befasst.

Die Herausforderungen Für meine Promotion habe ich eine Schmetterlingsgruppe weltweit untersucht. Meine erste Expedition führte nach Kolumbien und war noch privat finanziert. Allerdings habe ich mein Thema viel zu groß angelegt und es nicht – wie geplant – in drei Jahren geschafft. Ich habe mich für ein dreijähriges Stipendium beworben, parallel dazu in einem Planungsbüro gejobbt. Nach Ablauf des Stipendiums kam zum Glück ein Angebot für einen Verlag ein Bestimmungsbuch über Tagfalter zu übersetzen. Ich hatte acht Wochen Zeit, die
440 Arten zu bearbeiten. Ein Job, den wohl kein anderer machen wollte, der mich aber finanziell über Wasser hielt, sodass ich meinen Weg als Wissenschaftler fortsetzen konnte.

Die Aufgaben Meine Tätigkeit hat sich im Laufe der Jahre gewandelt. Ich war früher selbst weltweit unterwegs, habe neue Arten entdeckt. Um zu wissen, ob man eine neue Art gefunden hat, muss man sich zunächst einen Überblick verschaffen, welche Arten in einer bestimmten Verwandtschaftsgruppe bereits bekannt sind. Und bevor man ein Insekt eingehend untersuchen kann, muss es auf einer Expedition gesammelt, präpariert und etikettiert werden.

Im Laufe meines Berufslebens gab es viele technische Neuerungen. So habe ich mich vor 20 Jahren in die Molekulargenetik eingearbeitet. Durch die Untersuchung der Variation von DNA-Molekülen zwischen Organismen können wir deren natürliche Verwandtschaft viel effizienter ergründen. Und längst helfen uns Algorithmen und umfassende Online-Datenbanken bei diesen Analysen.

Das persönliche Rüstzeug Ich selbst war immer neugierig, habe mir Fragen gestellt. Wieso kann etwas an einem bestimmten Ort leben, welche Voraussetzungen braucht es? Und ich würde sagen, man muss abstrahieren können, sollte sich überlegen können, mit welcher Methode man zum Ziel kommt.

Fleiß und Ausdauer sowie die Fähigkeit, mit Misserfolgen umgehen zu können, sind ebenfalls hilfreich. Aus Erfahrung kann ich sagen, dass sich der Erfolg nicht immer einstellt. Dann ist man frustriert und muss sich motivieren können, weiterzumachen.

Die Berufsaussichten Garantien auf eine Wissenschaftskarriere gibt es nicht, aber gute Chancen. Ich möchte alle, die sich für Biologie, Pflanzen und Tiere interessieren, unbedingt dazu ermuntern, ihren Neigungen entsprechend zu studieren.

Wenn man sein Fach mag und richtig gut ist, findet man auch sein Auskommen. Und wer denkt, die Universität sei kein spannender Arbeitsplatz, kann im Naturschutz, in der Umweltbildung oder in der Biotechnologie, bei Industrieunternehmen, arbeiten.

(dpa/tmn)
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